Absockerei und Frauenhaare

“Sehr schlecht die bedienung katastrophe absockerei habe eine frauenhaare im
essen gefunden und hat gar fast gespuckt”

Schon lange wollte ich mich diesem Problem zuwenden. Es ist kein grosses Problem, jedenfalls für mich nicht, doch ich denke, man kann es schon mal in die Runde werfen: es geht um Hotel- und Restaurantbewertungen im Internet.

Habe mir die Mühe gegeben, die Bewertungen meiner reisenden Zeitgenossen/innen über bestimmte Lokalitäten anzusehen. Und zwar nur Lokale, die ich selbst auch besucht habe, nur mal um zu vergleichen. Da schreibt zum Beispiel ein oder eine Kim B. auf tripadvisor über das «Dar Naji» in Rabat: «Sehr schlecht die bedienung katastrophe absockerei habe eine frauenhaare im essen gefunden und hat gar fast gespuckt».

Das berühmte Haar in der Suppe! Nun kann man natürlich kaum vermuten, dass der/die deutsche Autor/in seine/ihre Quote in dermassen schlechtem Deutsch geschrieben hat. Ich vermute, dass die automatische Übersetzung den ursprünglich französischen oder englischen Text rückübersetzt hat. Inhaltlich scheint mir die Unmutsäusserung dann doch ein wenig übertrieben. Ich bin in diesem «Dar Naji» in Rabat gewesen (das so heisst, weil das gleichnamige Tor zur medina von Rabat gleich vis ä vis steht) und hatte nichts zu beanstanden gehabt. Die Beiz im ersten Stock über einer regen Strassenkreuzung ist eine Touristenfalle und wohl jeder mehr oder weniger un- oder freiwillig angeheuerte Führer oder Ratgeber führt einem dorthin. Auch ich habe einen solchen Tip erhalten und befolgt und war einigermassen zufrieden mit dem Gebotenen. Ich ging aber trotzdem nur einmal hin (weil ich a) touristen generell ausweiche und b) ein besseres restaurant gefunden hatte).

Und dann war ich mal im «la libecciata» in Livorno. Ich habe dort «cacciucco» bestellt (nicht ohne den Wirt vorher zu fragen was das ist, es sei eine Suppe aus Meeresfrüchten, meinte der, gäb’s nur in Livorno, bzw. sei hier erfunden worden (darum heisst sie auch «cacciucco livornese»)). Erhalten habe ich eine grosse Schale mit rot-bräunlich-schleimiger Flüssigkeit, darin allerlei vollständiges und zerlegtes Meeresgetier schwimmend (nach wikipedia ist in einer cacciucco folgendes: Muscheln (cozze), Meeresschnecken (chiocciola), Tintenfisch (calamari), Krebse (cancri), Knurrhähne (cappone). Diese fünf Zutaten, deren Namen alle mit «C» beginnen, müssen immer drin sein (deshalb sind im Namen der Suppe auch fünf «c»). Daselbst können aber zusätzlich eine ganze Reihe anderer drin Fische sein: Palombo, Grongo, Murena, Scorfano, Gallinella, Ghiozzo, Bavosa, Boccaccia, Cicala, Sugarello, Anguilla, Dentice, Branzino (u.a. sind das Hai, Heuschrchreckenkrebs und sonstige Kleinfische, die man in meiner Heimat eher in Aquarien hält und selten isst).

Das Zeug war ungeniessbar. Vielleicht lag’s an mir, den Schnecken oder am Knurrhahn. Mir knurrte der Magen jedenfalls nicht mehr, dabei war’s erst der erste Gang. Die Lust am secondo piatto (irgendein Fisch) war weg, ich ass aber, wegen des Gruppendruck’s, artig weiter (wir waren eine Gruppe). Vielleicht lag’s aber auch daran, dass mein alpenländischer Gaumen nicht auf den Eigengeschmack derlei Meeresbewohnenden synchronisiert ist. Aber vielleicht war auch der Koch oder eines der Ingredienzien schlicht schlecht. Jedenfalls erhält das «libecciata» auf diesem tripadvisor dennoch durchwegs gute bewertungen: «Insbesondere die Gerichte mit Meeresfrüchten sind lecker.» Aha. «the food was fresh and delicious…» Soso.

Ungut finde ich auch, wenn kritische Einträge ein halbes Jahr später nicht mehr auffindbar sind. Ich schreibe selbst ganz selten Bewertungen und lese solche noch seltener, da sie bei der Wahl eines Hotel’s oder Restaurant’s eh nicht weiterhelfen. Wenn ein Hotel grottenschlecht ist (nach meiner Meinung) wird es grottenschlecht bleiben, auch wenn ich meinen gutgemeinten Senf dazugebe. Mein tip drum hier: Ob ein Restaurant schlecht ist, sieht man an der Speisekarte. Ist diese laminiert und/oder enthält viele fotografierte Speisen auf Tellern – vergessen!). Doch wenn an einem Hotel  bis auf ein einziges unakzeptables Feature eigentlich alles stimmt, dann schreibe ich eine Kritik. sachlich natürlich.

Da war ich unlängst im «Hotel de france» in Perpignan. Zentral, günstig, schabby-chic (ein bisschen versifft aber charmant), intern ruhig. Doch jeden Morgen um vier Uhr der Horror. Grad unter dem (offenen) Fenster zur Seitengasse werden die Container geleert. Es kurft ein Lastwägelchen durch die engen Gassen, das an sich ist schon laut genug. Wenn die Männer dann die vollen Glascontainer (die jeden Abend voll sind, weil es eine ganze Reihe von Restaurants in der Gegend hat) ins Lastwägelchen kippen, ist vollends die Hölle los. Da stehstu im Bett. Das habe ich bei tripadvisor.com eingegeben, weil ich mir dachte, wenn genügend andere Gäste sich über den selben Umstand beschweren, ändert vielleicht etwas.

Doch was passiert? Man löscht den Eintrag. Nach ein paar Monaten ist er einfach weg. Man will offensichtlich Kritik (in solchen Hotels steigen nur Kurzaufenthalter ab, die sollen das erdulden), weil man sonst ja etwas ändern müsste. Man möchte lieber Einträge wie diesen von einer Australierin: «Es ist kein modernes oder aufdringliches Hotel, aber es hat ein gutes und einfaches Service, ist sauber und ordentlich und die Betten sind bequem. Der Preis war großartig, das Personal an der Rezeption war freundlich und beide Mädchen sahen wir hatten relativ gut Englisch gesprochen. Es ist auch sehr nahe an der Altstadt von Perpignan wo es gibt es einige sehr gute Restaurants und Geschäfte. Auf jeden Fall lohnt sich ein oder zwei Nächte hier. Perpignan ist eine hübsche kleine Stadt. es hat uns sehr gut gefallen.»

Ähä. Äusserst nützlich. Unter den Einträgen steht dann amel diese Frage: «Fanden Sie diese Bewertung hilfreich?», danben ein Button auf dem «Ja» steht. Man muss ihn nicht klicken, wenn man kein Bedürfnis dazu hat. Einen «Nein»-Button gibt es nicht bei den tripadvisoren.