Silvester Alexandria

Erst spät oder schon früh

Mühe mit dem Aufzug – schlecht und kurz geschlafen – Suche nach Kaffee – Alexandria scheint nicht auf mich gewartet zu haben

ALEXANDRIA – Hab› mich heute morgen in aller Herrgotsfrühe um 10 Uhr mit dem Hotellift abgemüht. Steh› da in der Kabine und das Ding macht keinen Wank, obwohl er doch grad auf meinen Tastendruck hin hochgefahren kam. Ich untersuch› die Türen, ob sie sauber geschlossen sind, schliess sie sauber, aber der Lift steht da wie der Esel am Berg im 13. Stock und rührt sich nicht. Ich denk›, drückst› halt «1» statt «G», gehst› das letzte Stockwerk zu Fuss. Aber nichts geschieht. Und weil eben nichts geschieht, denk› ich mir, der Aufzug ist grad jetzt in diesem Moment ausgestiegen, kann ja vorkommen, und ich will ja jetzt kein Risiko eingehen, dass er dann doch noch losfährt aber irgendwo im Nirgendwo steckenbleibt und niemand findet mich. Stundenlang womöglich. Also geh ich die 13 Stockwerke zu Fuss runter, stolpere zwei Mal weil das Treppenhauslicht nur alle zwei, drei Stockwerke brennt, und freue mich, dass ich mir dabei nichts breche.

Als ich zurückkomme von der erfolgreichen Suche nach Kaffee in dieser Stadt (im Hotel «Alexander der Grosse» gibt’s Kaffee nur aus dem Automaten und da ist Néscafé (oder ein noch grauslicheres Plagiat) drin), hol› den Aufzug runter («CALL») und drücke «13». Es geschieht wieder nichts. Da fährt das Ding plötzlich los und hält in der siebten Etage. Eine Frau tritt in die Kabine, hält den blauben Chip an die dafür vorgesehene und nicht markierte Fläche oberhalb der Tastatur und drückt «G» («Ground Floor»). Jetzt bin ich also wieder da wo ich eingestiegen bin – aber trotzdem etwas weiter.

Alles klar, Murmeltier. Den Chip habe ich nämlich auch (am Zimmerschlüssel), aber total vergessen. Als ich heute morgen um halb Sechs ankam, hat es mir der Nachtportier erklärt: «Blaues Ding an die Fläche halten!» Aber heute morgen, also eigentlich noch bevor Morgen war, war ich nicht mehr wirklich aufnahmefähig, sondern auf Abschalten (Schlafen) fixiert. Endlich in die Pfanne, weiche, weisse Kissen, schwere Decke über mir, und die Hölle kann wüten und morgen scheint eh die Sonne und es gibt den besten Kaffee der Welt. Hoffetli.

Aber weit gefehlt. Nach der Landung erst mal anstehen bei der Bank, die Geld wechselt und auch gleich die Visas verkauft, die Ägypten jedem Tourist für 25 US$ abknöpft. Dann anstehen bei der Passkontrolle, wo man als Visakäufer sowieso der Letzte in der Reihe ist (da die meisten mit mir Einreisenden ÄgypterInnen oder Residents sind und kein Visa brauchen). Dann anstehen bei der Zollkontrolle (wobei man, also ich, wenigstens bei der Gepäckausgabe nicht anstehen muss, weil das Gepäck schon längst wartend seine Runden auf dem Band dreht). Wobei die Ägypter es hier ganz besonders genau nehmen, gar so manchen Einreisenden richtiggehend filzen, wobei dann mancher Einreisender Schreikrämpfe bekommt, weil sie ihm etwas Illegales wegnehmen (z.B. Alkohol). Ausserdem muss sämtliches Gepäck durch den Scanner, wobei dann natürlich auch hier einiges zur Kontrolle anfällt, aber, wenigstens im Moment, grad keine Waffen oder Sprengstoffbausätze gefunden werden.

Eineinhalb Stunden hat das Einreiseprozedere gedauert. Eine Stunde dauerte die Fahrt mit dem Taxi zum Hotel (wobei eine Viertelstunde dafür draufging, eine Strasse zum Hotel zu finden, die nicht durch schwerbewaffnete Sicherheitskräfte gesperrt ist (das Hotel steht gleich neben einer Kirche (christliche Kirchen geniessen zurzeit in Ägypten grad erhöhte Aufmerksamkeit durchgeknallter Moslembrüder und demzufolge eben auch der Polizei). Es war halb sechs, als ich in den weichen, weissen Kissen und der schweren Decke im unterkühlten Hotelzimmer auf der 13. Etage des Alexander dem Grossen lag. Und es war neun Uhr, als der Zimmerboy an die Türe klopfte und das Zimmer machen wollte. Wobei ich dann freundlich Nein sagte, aber trotzdem nicht mehr schlafen konnte, was mich dazu veranlasste, siehe oben, einen Ort zu suchen, wo es einen anständigen Kaffee gibt.

Aber ich war heute morgen, als ich dem Tag bereits zum zweiten Mal begegnete, ganz einfach noch nicht gebacken genug für grössere technische Aufgaben.

Silvester Alexandria

Silvestermorgen in Alexandria – vorne die schwerbewachte griechisch-orthodoxe Kirche