Dorudon atrox

Im Tal der Wale, Teil 3

Wie die Wale nach Ägypten kamen und nicht wieder gehen konnten – wie aus Skiliftspuren ein Waschbrett wird – die Wüste lebt nicht mehr oder doch?

Wadi al-Hitan – Die letzten 30 Kilometer ist die Strasse keine, sondern eine Kies-/Sand-Piste. Und auch der Begriff «Piste» ist eigentlich nicht der richtige, besser wäre: quergestelltes Wellblech (Waschbrett). Wie wenn man mit einem Velo über ein  solches führe fühlt es sich an. Bei jeder Durchfahrt werden die Wellen noch etwas welliger, was den nächsten Drüberfahrer noch mehr schüttelt. Man kennt das Phänomen vom Skilift: Erst zieht die Maschine eine wunderschöne Spur in den Schnee, dann entstehen aus unerfindlichen Gründen kleine Wellen. Immer wenn zwei Skis (oder ein Snowboard) über eine Welle gleiten, bildet sich dahinter ein kleines Wellental, das durch die Schwere des Gleitenden immer tiefer wird. Der weggedrückte Schnee wird zu nächsten Welle undsoweiter. Genaus geht das bei Wüstenstrassen: es entsteht mit der Zeit ein Waschbrett.

Langsam darüber zu fahren bringt’s nicht und ausserdem kommt man so nie an. Die Lösung wäre, mit richtig Tempo darüber zu donnern. Das wiederum tut dem Auto nicht gut. «Viele Leute machen das, aber sie glauben es einfach nicht, irgendwann ist das Auto nämlich kaputt und sie fragen sich warum.» Sagt Raffad, mein Fahrer mit seinem 24-jährigen und 449’889 Kilometern gefahrenen Toyota Landcruiser. Also fährt Raffad neben der Piste. Viele machen das, man sieht es an den Radspuren. Das ist nur ein wenig komfortabler, schont die Mechanik aber fordert meine Grobmotorik. Das Fahren neben der Strasse in der Wüste ist wie eine Atlantiküberquerung im Fischkutter – man braucht Steh- (oder Sitz-)vermögen und einen guten Magen. Nach einer Stunde erheben sich die Felsformationen, die ich schon die ganze Zeit am Horizont sehe, in Lebensgrösse vor uns. Wir sind im Wadi al-Hitan, im Tal der Wale.

Im Tal der Wale gibt es Wale, bzw. deren Überreste, weil hier einst (vor 40 Mio Jahren) ein Meer war, das «Thetys». Dieses Meer (eigentlich eine Meereszunge) trennte den Kontinent Afrika («Gontwana») von Asien/Europa («Laurasia»). Die beiden Kontinente waren nur über eine Landbrücke zwischen dem heutigen Algerien und der Türkei zum Superkontinent «Pangaea» vereint. Über die Jahre drehte sich Gontwana im Gegenuhrzeigersinn näher an Lauraisa heran, riss die Landbrücke auf, schuf das heutige Mittelmeer und schloss schliesslich die Lücke zwischen Agypten und der Levante. Führ lange Zeit blieb ein eingeschlossenes Meer dazwischen – die Thetys. Im Thetysmeer verblieben u.a. ebendiese Wale. Doch die Drehung von Gontwana hob die Erdkruste unter der Thetys immer mehr an, womit das Meer austrocknete und die Wale sowie andere Meeresbewohnende zu Grunde gingen.

Entdeckt wurden die Überreste der Wale, die in Millionen von Jahren im Sand und Sandstein konserviert und später von der Erosion freigelegt wurden, erst im letzten Jahrhundert. Bis heute sind rund 250 fossile Skelette (Basilosaurus und Dorudon atrox) registriert worden. Seit 2005 ist das Wadi al-Hitan Naturschutzgebiet und UNO-Weltkulturerbe.

Zur Eröffnung des begehbaren Fossilienparks wurde ein kleines Museum und ein Helikopterlandeplatz gebaut. Letzterer diente dem damaligen Präsidenten Ägyptens Hosni Mubarak als Landplatz. Es kam aber nur seine Frau. Die dreistündige Anfahrt durch die Wüste mit dem Wellblechfinale war ihr wohl nicht zuzumuten (wobei die Piste da noch brandneu und ungewellt war). Der Landeplatz wurde seither nie mehr benützt. Alle Besuchenden fahren auf dem 30 Kilometer langen Waschbrett zum Tal der Wale. Oder eben daneben.

Dorudon atrox

Ein recht gut erhaltener Dorudon atrox im Wadi al-Hitan

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