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Hemden nur mit Maske

POZZUOLI. «Indossare la mascherina», sagt der Verkäufer. Ich solle die Maske anziehen, nicht wegen ihm, meint der Mann, aber falls die Kontrolle auftauche. In Italien muss man derzeit in geschlossenen Räumen die Maske im Gesicht haben. So will es der Staat, der mit der Corona-Epidemie schwer geprüft worden ist, und jetzt natürlich unbedingt verhindern will, dass das Ganze nochmal beginnt.

Doch praktisch trägt in Süditalien eher die Minderheit eine Maske. Manche tragen sie am Ellenbogen, falls, andere haben sie am Hals hängen, bereit, sie sofort hochzuziehen, falls. Doch viele tragen sie nicht bei sich, oder vielleicht im Hosensack, jedenfalls tragen sie keine im Gesicht. Zu diesen gehöre auch ich. In den ersten drei Tagen muss ich dann und wann nochmals die Treppe hoch, um in meinem Zimmer die vergessene Maske zu holen. Am vierten Tag klappt es dann, ich habe sie bei mir, im Hosensack.

Nun ermahnt mich der Mann, Hemdenverkäufer, freundlich, die Maske zu tragen. Ich gehorche, denn ich will etwas von ihm, nämlich Hemden. Hier in Italien sind Hemden, Kleider und Schuhe billig. Und der Mann hat in seinem winzigen Laden exakt die Art von Hemden, die ich mag: bunt bedruckt, triple-XL, regular fit. Und er hat Ausverkauf. Ich wähle drei Hemden aus und handle den Preis für alle auf 80€ herunter. Doch das Bezahlen mit der Amex klappt nicht, sein Kartengerätchen stürzt ab und erholt sich nicht mehr. Der Mann nennt mir den nächsten Bancomaten, gleich neben der Gelateria, ca. 50 Meter Gehdistanz. Doch der Bancomat reagiert mit völlig behämmerten Fehlermeldungen und spuckt meine Karte wieder aus.

Ich gehe ins Geschäft zurück. Der Mann weiss keinen anderen Bancomaten. Er sieht vor dem Schaufenster einen Bekannten, fragt ihn nach einem Geldspender. Der meint, vorne links, dann hoch, 50 Meter, noch eine Treppe, die Bank CREDIM. Ich gehe hoch, schiebe meine Karte ins Gerät, diesmal die EC, es klappt, die Maschine spuckt 100€ und die Karte wieder aus. Ich gehe ins Geschäft zurück, der Mann bückt sich immer noch über sein Kartenlesegerätchen und flucht. Es druckt nun meterlang Unverständliches auf das Papierband. Er entschuldigt sich für die Umstände bei mir – ich sage, es ist ok, ich habe ja die Hemden, und drücke ihm 80€ in die Hand. Ich verlasse das Geschäft, denkend, wie einfach es jetzt eigentlich wäre, ein Geschäft zu überfallen. Ich würde, mit der Maske im Gesicht, nicht wirklich auffallen. Nur, wie sage ich es den Leuten, wenn ich sie überfallen möchte: «Das isch en Übefall!» Wie sage ich das auf Italienisch?

Ein Schnäppchen – tre camicie per 80€!

Die Solfatara von Pozzuoli

Pozzuoli. Die Solfatara bei Pozzuoli (westlich von Neapel) ist ein sichtbar aktiver Teil der sog. «Campi flegrei» (Phlegräische Felder). Die campi flegrei sind ein Gebiet von mehreren ehemals, wahrscheinlich vor mehr als 4’000 Jahren, aktiven Vulkanen. Heute sind fast alle der damals entstandenen Krater überbaut, mit Wasser gefüllt oder von Wäldern – oder eben Feldern – überwachsen. Nur die Solfatara di Pozzuoli «lebt» noch.

Als «solfatara» werden Gasaustritte im Fels, im Wasser oder in der Erde bezeichnet. Bei Temperaturen <200 °C treten hier neben Wasserdampf weitere Gase (u. a. Schwefel-, Antimon- und Quecksilberverbindungen) aus, was man auch deutlich riechen kann, wenn man nahe genug ran könnte. Leider kann man die aktiven Zonen der Solfatara von Pozzuoli nach einem halbstündige Fussmarsch vom Stadtzentrum nur von weitem beobachten. Das heisst, man sieht eigentlich nichts ausser etwas Rauch (siehe Video) und den scheints bestialischen Gestank nach faulen Eiern riecht man auch nicht.

Früher war die Solfatara für Publikum zugänglich, man konhte sogar mit dem Auto in dieser Mondlandschaft herumfahren, alles gegen Eintrittsgeld natürlich. Dann geschah vor drei Jahren ein Unfall, bei dem ein Bub in eine Fumarole fiel und die Eltern ihm zu Hilfe kommen wollten, wobei alle drei starben. Seither ist die Solfatara für Publikum nicht mehr zugänglich. Es gäbe zwar genug Stellen und Lücken im Zaun, wo man reinschleichen kann, aber bei Tag fällt man ziemlich schnell auf. Zumal der Besitzer des Areals in der Nähe wohnt.

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Frühstück im Plastik

NAPOLI. Der Frühstückskellner im «Hotel Palazzo Firenze» in Neapel entschuldigt sich tausendmal. «Non c’é buffet», sagt er, leider kein Frühstücksbuffet, aber bei Kaffee und Säften dürfe ich mich gerne selber bedienen. Das Buffet, also der Ort, wo sonst eines ist, macht einen himmeltraurigen Eindruck. Leere Plexiglashauben, leere Rechauds, leere Früchteschalen, kein Müesli, kein Fruchtsalat. Sie würden einem besser gar nicht in den Frühstücksraum lassen, dann könnte ich mir diesen Anblick ersparen. Immerhin gibt es «uovo strapazzato» Rührei, jedoch kein «bacon fritto». Den traurigen Anblick erspart einem das «Mercure» in Bari. Im grauslichen Glaspalast im wunderschönen Park etwas abseits des Zentrums gehen sie einen Schritt weiter und schliessen gleich das Hotelrestaurant. Frühstück gibts im Freien, ein Buffet gibts auch hier nicht und Rauchen ist erlaubt. Aus den Lautsprechern plärrt grausliche Popmusik. Das Frühstück wird mir hier von einer sehr dienstfertigen Bediensteten an den Tisch gebracht. Mercure, das ist – normalerweise – 4*-Komfort. Doch davon ist nichts zu sehen und zu spüren. Das «Frühstück» kommt auf dem Tablett und wird auf den baren Blechtisch platziert. Kein Stofftischtuch, keine Stoffservietten, keine Selbstbedienung an der Kaffeemaschine. Alles Ess- und Trinkbare ist in Plastik verpackt. Das frische Gipfeli aus dem Aufbackofen ist ein Brötchen von gestern, verpackt in Folie. Dazu eine Unmenge furztrockene Grissini. Natürlich gibt es auch hier kein Müesli und auch keinen gebratenen Speck, dafür Frischkäse – im versiegelten Plastikbecher. Italiens Hotellerie ist im Corona-Ausnahmezustand. Das muss man in Zeiten wie diesen halt akzeptieren. Dafür ist man beim Frühstück fast allein, das ist ein nicht unerheblich positiver Aspekt der Sache. Es geht aber auch anders. Im B&B «Al console» in Monopoli serviert mir la signora alles, was zu einem Frühstück gehört, frisch und unverpackt. Aber leider auch hier: kein gebratener Speck und kein Rührei. Sind das Corona-Auswirkungen oder essen ItalienerInnen per se keinen Speck zum Frühstück?

Zurzeit Standardfrühstück im Edellhotel «Mercure» – tutto in plastico.

Der Vesuv bleibt unerreicht

HERCULANO SCAVI. Endlich mal den Vesuv besteigen möchte ich. Drei Mal bin ich jetzt in meinem Leben schon in Neapel gewesen, aber auf den Hausberg dieser Stadt habe ich es noch nie geschafft. Lag wahrscheinlich daran, dass man nicht mit dem Auto hinauffahren kann. Da gehen, v.a. zu Fuss und bei dieser Hitze und erst noch bergauf, nicht meine Stärke ist, habe ich es bisher sein gelassen und mir ersatzweise die Bilder von Dagewesenen angeschaut. Vor ca. 7 Jahren war ich das letzte Mal hier, da hatte ich sogar ein Auto, mit dem ich wenigstens bis zum Touristen-Parkplatz hätte fahren können, aber keine Zeit. Guckstu «Tre Vulcani» (www.grippedbag.ch).

Aber heute sollt’s klappen. Den Vesuv kann man von zwei Seiten angehen: von Ercolano oder von Pompeii. Beides alte Städte, bzw. Stätten, uns allen bekannt wegen ihres Schicksals und dem was noch übriggeblieben ist. Nach Herculanum, bzw. Herculano Scavi fährt ein Vorortszug direkt von Napoli Garibaldi. Das Büro, wo man das Ticket für den Shuttle-Bus kaufen kann, ist gleich beim Bahnhof. Alles sehr gut eingerichtet und eingespielt mit Millionen von Touristen in den letzten Jahren.

Doch heute klappt’s nicht. Ausser mir ist kein einziger Tourist da. Dafür aber sechs leere Kleinbusse und sechs kaffeetrinkende Chauffeure. Der capo des Tourunternehmens sagt mir, dass er fahren lässt, wenn genug Leute da sind, die rauf wollen. Ich solle unterdessen das Ticket lösen – online, nicht am Schalter, Corona! – und warten. Ich warte in der Bar gleich nebenan und löse noch kein Ticket. Ich warte eine Stunde bei 2 Peroni und einer Schale Salzerdnüssli und frage mich, wieviele vom letzten Gast übriggelassene Salzerdnüssli in der Schale sind. Es gibt WiFi und ich informiere mich: Man kann mit dem Shuttle bis 100 Höhenmeter unterhalb des Kraterrands fahren. Dann muss man noch 45 Minuten zu Fuss gehen und oben ist man. Die Wanderung rund um den Krater dauert eine Stunde, so man sich das antun will. Ich würde wollen. Gerne würde ich die Gelegenheit nutzen, man wär› da oben jetzt ziemlich allein, die Ruhe wär› bestimmt eindrücklich. Kein Tourist wär› da, wann hat man denn das schon mal gehabt, da muss erst ein Virus daherkommen.

Der capo meint, er könne mich schon raufbringen, müsste dann aber min. 50€ dafür haben und nochmals 30€, wenn der Fahrer auf dem Parkplatz auf mich warten müsste. Das ist mir dann aber für diese exklusive Erlebnis doch etwas zu teuer. Nach einer Stunde Bier und Salzerdnüssli ziehe ich ab, steige in den Zug, der quer durch Neapel in die campi flegrei fährt. Da die campi flegrei eben ein campo sind, ein Feld, ein weitläufiges Feld, und keine Stadt, bin ich noch weit von den campi fleigrei, die ich erwartet hatte, entfernt, so dass ich mit dem nächsten Zug nach Pozzuoli fahren muss. Dazu muss ich aber erst ein neues Ticket lösen. Doch der Schalter hat zu, es ist Mittagspause, und am Automaten funktioniert das «P» nicht. Ich kann also nicht «Pozzuoli» eingeben. Also fahre ich schwarz. Und eine mascherina habe ich auch nicht dabei. Ganz schön illegal unterwegs, ich, und mit schlechtem Gewissen, imfall.

Zum Bild: Er bleibt für mich ein weiteres Mal unerreicht: Der Vesuv, fotografiert von der Fähre Napoli-Procida im Golf von Neapel.

Grausame Welt – oder Bier

PROCIDA. Eine Entscheidung, die leicht fällt. Draussen, da wartet die grausame Welt, eine Welt in Masken und Handschuhen, eine Welt die so keine mehr ist. Die Seuche lauert in jedem Kubikzentimeter Luft, an jedem Quadratzentimeter Haut, an jedem Handlauf, jeder Türklinke, jedem Menschen.

CRUEL WORLD. Da nehm› ich doch lieber das BEER, oder noch besser, in Italien, ein Glas Wein. Auf der Insel Procida ist’s weisser Wein. Falanghina zum Beispiel. Weisser kühlt. Bei dieser Hitze. 35° jeden Nachmittag. Der Tod für jedes Bakterium, jedes Virus, jeden Pilz. Noch immer scheinen die ItalienerInnen geschockt vom unsichtbaren Feind, der da über sie herfiel im Januar. Drei Monate Ausgangssperre haben sie hinter sich. Drei Monate alleine, zu zweit, zu dritt in der kleinen Wohnung. Nur eine/r durfte raus mit dem Hund oder um einzukaufen, und der oder die musste sich selbstdeklarieren: 1. ich bin gesund, 2. ich muss raus weil es dringend ist und 3. ich bin für mich selber verantwortlich.

Eine grausame Welt, in der man sich erklären muss, warum man draussen in ebendieser grausamen Welt ist. Doch ist, oder war’s drin weniger grausam? Eng, stickig, heiss, einander auf den Sack gehen, Streit, Gewalt, Kampf um Lebensmittel, wer muss, darf raus. Ein Stück dieser grausamen Welt liegt hinter ihnen, den ItalienerInnen, liegt hinter uns. Vielleicht. Wir nutzen die Zeit, niemand weiss wie’s morgen ist, nutzen wir die Zeit. Leben wir, gehen wir raus, trinken wir Bier! Oder eben Wein. Vino bianco, Falanghina zum Beispiel.

Entscheidung an der Mole von Procida

Der tägliche Temperaturcheck

NAPOLI. In Italien ist es derzeit nicht gemütlich, wenn man aus irgendeinem Grund Fieber hat. An Flughäfen, grossen Bahnhöfen, in vielen Restaurants, beim Besteigen einer Fähre – überall wird einem die Temperatur gemessen. Draussen ist es am Nachmittag jeden Tag um die 35 Grad und man hat ständig das Gefühl, jetzt sei man selber übertemperiert. Doch die Messgeräte arbeiten offenbar genau, geben bei mir stets 35.6 Grad an. Ich gehe zudem auch davon aus, dass die Temperatur der Leute auch unbemerkt gemessen wird. Und man wird wohl auch erfasst per Video, so wie in China. Keine Ahnung, was passiert, wenn man zu hohe Temperatur hat. Ganz blöd wär das am ersten Ferientag.

Doch solche Gedanken muss man weglegen. Man kommt ja wegen der Verbringung eines möglichst erfreulichen Urlaubs hierher. Erfreulich ist derzeit ein Urlaub in Italien, wohl auch in anderen Ländern, in der Tat. Es hat nämlich nicht sehr viel Leute, Touris, vor allem keine ausländischen (deutschen) Touris. Die Italiener sind selbst auch noch nicht allzu urlaubsgeil, obwohl seit dieser Woche Schulferien sind. Für unsereiner ist es das Paradies. Fast alle Restaurants sind geöffnet, alle Züge verkehren, die Flüge auf den Hauptverkehrsachsen sind in Betrieb, es herrscht fast überall schon wieder der Normalbetrieb. Die Leute, Kellner, Taxifahrer, Rezeptionisten (in Italien werden immer noch viele Jobs in der Tourismusbranche von Männern gemacht) sind freundlich. Sie wissen, was sie an einem haben. Die Läden sind offen, jedoch leer. In den ristoranti wird in gebührendem Abstand aufgetischt, auch auf der Terrasse. Im Zug ist jeder zweite Platz gesperrt, dennoch sind die Züge nicht voll. Leider aber funktioneiren diverse Services noch nicht, z.B. die Tour auf den Vesuv. Im Hotel Mercure in Bari sind Bar und Restaurant zu, das Frühstück wird statt am Buffet auf einem Tablett serviert und es ist alles, ausser der Kaffee, in Plastik verpackt. Nicht grad im Sinne des Klimaschutzes, dafür im Sinne des Virusschutz. Demgegenüber gibt es nirgends Papierhandtücher auf den öffentlichen Toiletten (was schon vor Corona nicht der Fall war), dafür die als Virenschleudern bekannten Lufttrockner. Na da lass› ich meine Hände doch lieber nass.

Temperaturmessung und Videoaufzeichnung im Bahnhof von Neapel

Maske auf Mann (oder Frau)

NAPOLI. Keine/r sagt hier «maschera». Maske ist etwas für die Fasnacht. In Italien heisst es «mascherina», kleine Maske oder Halbmaske. So eine sollte man schon bei der Einreise bei sich haben. Auf dem Flughafen ZRH schenken sie einem eine Behelfsmaske, denn in den Flügen der Alitalia sind sie vorgeschrieben. Die Alitalia verschenkt aber nichts, auch kein Bier oder Wasser. Die Behelfs-mascherina, eigentlich nur ein gefaltetes Stück Vlies mit zwei Schlitzen zum Einhängen an den Ohren, ist wahrscheinlich in der Not in der Schweiz oder in China produziert worden und hat den Vorteil, dass man sie 4x nutzen kann, einfach umdrehen oder auf die andere Seite falten (dass das nicht den behördlichen Empfehlungen entspricht, ist ein Nebeneffekt, aber pragmatisch).

Im Süden angekommen, ginge es auch ohne Maske. Im Freien trägt fast niemand das unbequeme Ding. Sobald man aber in geschlossene Räume geht – Züge, Bahnhöfe, Fähren, Läden, Kirchen, aber auch Taxis oder Shuttles – muss man eine tragen. Das heisst, man wird freundlich bis stringent darauf aufmerksam gemacht. Als ich in Napoli Centrale aus dem Zug steige, suche ich erst mal eine Apotheke und werde dort energisch von Dame mit Visier darauf hingewiesen, dass ich hier nicht ohne Maske eintreten dürfe. Ja deswegen sei ich ja hier, brauche eine mascherina, sage ich. Es gibt zertifizierte Masken (mit Abkürzung) und ganz normale. Die zertifizierten sind teuer, die unzertifizierten auch. 2€ für das Set mit 2 Stück. Ich kaufe 2 Sets, muss wohl, weil ich keine andere Verkaufsstelle finde. Masken darf offenbar nur die Apotheke kaufen. Schwarzhändler sehe ich keine, dafür sehr viel Polizei und bewaffnetes Militär, das selbst grösstenteils auch maskiert ist.

Temperaturmessung schon im Flughafen Zürich (Hintergrund: alle Bierstellen im Terminal A zu)

Abiy Ahmeds Nobelpreis

Dieses ziemlich schwummrige Foto zeigt die Originalurkunde des Friedensnobelpreis von 2018. Erhalten hat ihn der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed Ali für seine Verdienste beim Friedensabkommen zwischen Äthiopien und Eritrea. Abiy Ahmed regiert in Äthiopien erst seit April 2018, schon drei Monate später schloss er Freiden mit dem Nachbarland. Knapp ein halbes Jahr später erhielt er den Nobelpreis. Noch eine Woche vor dem Friedensschluss entgieng er knapp einem Bombenattentat.

Seine Blitzkarriere hatte sich der heute 44-Jährige wohl nicht so gedacht. Erst seit 2010 betätigt er sich als Politiker (als Abgeordneter im Unterhaus), acht Jahre später konnte er als Parteivorsitzender der OPDO («Demokratischen Organisation des Oromovolkes») nach dem vom Volk erzwungenem Rücktritt des langjährigen Ministerpräsidenten Hailemariam Desalegn dessen Job übernehmen. Der Mann ist gescheit, hat einen «Master of Transformational Leadership» (was immer das ist), einen «Master of Business Administration» und erhielt einen Ph.D (was hierzulande ein Dr. ist) für seine Studie «Social Capital and its Role in Traditional Conflict Resolution in Ethiopia: The Case of Inter-Religious Conflict in Jimma Zone State». Er spricht drei Landessprachen (Oromo, Amhara und Tigryana) sowie Englisch. Und er hat drei Töchter und sieben Halbgeschwister, und ist ausserdem der erste Ministerpräsident aus der Oromo-Etnie. Sein Vorname Abiy leitet sich von «Abiyot» ab, was «Revolution» bedeutet.

Die Nobelpreis-Urkunde hängt im früheren Nationalpalast in einem Vorzimmer des ehemaligen Kaisers Heile Selassie, heute das Etnologische Museum Äthiopiens in Addis Abeba.

ethnological museum of addis abeba

Des Kaisers stilles Örtchen

Dieses wunderschöne himmelblaue Klosett steht im Etnologischen Museum von Addis Abeba. Es steht hier nicht um den Museumsbesuchenden die Fortschritte der Abtrittkultur eines Volkes zu zeigen. Es stand schon da, bevor das Museum zu einem wurde. Auf diesem hochmodernen Abtritt mit Aussicht ins Grüne hat einst ein Kaiser seine Notdurft vollzogen. Das Haus, in dem diese Vorrichtung steht, war der Palast des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie (1892 – 1975). Bis zur Umfunktionierung zum Museum in den Nullerjahren war es der «National Palace». Hier residierte, also wohnte der Kaiser, während er und seine Regierung im «Imperial Palace» unweit davon regierten. Er wurde auch «Jubilee Palace» genannt, weil er zum Jubiläum zu 25 Jahre Regierungszeit des Kaisers errichtet wurde (1955).

Das Gebäude war wahrlich ein Schicksalsort für den so lange so erfolgreich herrschenden Kaiser. Hier wurde seine Majestät 1974 entthront und hier starb er ein Jahr später 83-jährig. Dieses Klosett stammt also aus dem Jahr 1955 und war wohl das modernste WC in ganz Afrika zu dieser Zeit. Ihre Majestät Kaiserin Menen hatte übrigens ihren eigenen Abtritt in etwas einfacherer Bauart(weiss, mit schwarzem Deckel und vorne offener Brille) nur mit Keramikplättli statt Marmor ausgestattet in ihren eigenen Gemächern. Alles im Originalzustand betrachten kann man im Ethnological Museum in Addis Abeba.ethnological museum of addis abeba