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Bachelorette

Eleni, die Bachelorette der dreiundzwanzigsten Staffel, und Eli, die Bachelorette der fünften, lagen sich böse in den Haaren. Die Eine zog, die Andere riss an deren der jeweils anderen. Dabei half beiden der Umstand, dass Bacheloretten stets lange Haare haben, ob echt oder extended und/oder silbergrau/hellpink gefärbt, wobei verlängerte, also angeleimte Haare, den Reisskräften der daran Reissenden eher weniger lange widerstanden wie natürlich gewachsene, gleichzeitig aber weniger körperliche Schmerzen verursachten. Die Eine, es war umständehalber nicht auszumachen, ob Eleni oder Eli, schrie: «Du elende Bitch!», die andere kreischte zurück: «Du verfickte Schlampe!», was in der Essenz eigentlich das Gleiche bedeutete. Beide wussten jedoch grad nicht, und auch den anderen Zwei am Tisch war nicht vollständig klar, wieso die Girls überhaupt aneinandergeraten waren. Es war wohl latenter Neid und/oder Eifersucht auf der jeweils Anderen Karriere, die sich in aufgedunsenen Berichten im «G&G», «Illustre Schweizerin» oder auf TikTok/youtube/Insta nieder- und breitschlug. Wegen dessen, wozu die Vier am Tisch sassen, des Kartenspielens nämlich, konnte es nicht sein, denn alle Vier begriffen nicht allzu viel bis gar nichts vom Jassen und taten nur so, als ob sie eidgenössische und damit sehr versierte Jasserinnen wären. Das Spiel war Show, der Streit war echt.
«Du elende Bitch», schrie Eleni, und Eli kreischtezurück:
«Du verfickte Schlampe», was schon recht deutlich war, aber noch nicht auf den Grund des ziemlich eruptiv ausgebrochenen Streites schliessen liess.
Der Kameramann von «TVsExklusiv» schob sein Objektiv noch näher hinein in den Zank, dem Fotografen des Ringerverlags («Black», «Illustre Schweizerin», «Suisse Shobiss») geiferte der Schleim vom Mund auf die um seinem Hals baumelnden superteuren Fotoapparate, die als Serviertochter agierende deutsche Statistin namens Maren schlug ihre Hände vor dem Gesicht zusammen und Tekrim, der kosovarische Pächterstatist des Clubs «Le Viaduc» wusste nicht, ob der Zickenbattle gut oder schlecht für seine Reputation als Model war, falls die Sache an die Öffentlichkeit käme.
Dann mischte sich Lindee, einst die schönste Schweizerin aus dem Jahr 2009, 1982 als «Linda» getauft, in den haarigen Streit ein:
«Ihr kindischen Gören, reisst euch zusammen!»
Worauf die ehedem in die Schweiz geflüchtete aserbeidschanische Influenzerin Ericcah, die ehedem schönste Linda am Ellenbogen zurückhielt und sagte:
«Let it be, it‘s their own shame!»
Und siehe da, die beiden Kampfhühner beruhigten sich. Eleni hielt ein blondes Büschel von Elis «Tape-in Extensions» in ihrer Rechten. Eli ein etwas kleineres Büschel von Elenis grausilbernhellpink gefärbten Haaren.
«Das hat verdammt weh getan», sagte Eleni.
«Dasch voll ugly, dini Hoor», sagte Eli, und schüttelte das Haarbüschel aus ihren mit vier Zentimeter Plastik verlängerten Fingernägeln.
Nun mussten die Zwei zur Toilette, um Haare und Gesicht zu richten, wobei zu befürchten war, dass der Streit dort wieder losging. Doch er ging nicht los, denn Menschen des öffentlichen Lebens streiten nie an Orten, wo keine Kameras sind, ohne diese bringt ein Streit, ob inszeniert oder echt, nichts. Obwohl es immer öfter von Spannern installierte Web Cams auf Damentoiletten gab.
Das Spiel war also unterbrochen. Gögs, der Produzent von «TVsExklusiv», sagte zu seinem Cam Man:
«Läuft ganz gut, oder?»
«Glaub schon», antwortete dieser.
Eli kam aus der Toilette: «Meine Haare sind am Arsch, so können wir unmöglich weitermachen.»
Dann kam auch Eleni an den Tisch zurück: «Meine Nails sind im Arsch, ohne Nägel kann ich unmöglich weitermachen.»
«Ach das geht schon», sagte Gögs, «dich, Eli, nehmen wir einfach nur von rechts auf, und deine Fingernägel, Eleni, sind eh nie im Bild.»
«Aber dann sieht man die hässliche Narbe an meinem Ohr, die mir mein kleiner Bruder mal reingehauen hat», sagte Eli.
«Ich kann die Jasskarten nicht halten», sagte Eleni.
«Stell dich nicht so an», sagte Lindee, «du bist ja kein Kind mehr, deine langen Finger sind lang genug.»
«Bitch, du sgst Langfingerin zu mir?» sagte Eleni.
«Nichts will ich sagen, nur dass du kein tolpatschiges Kind mehr bist, hoffentlich.»
«Halt doch deine Fresse», sagte Eleni.
«Ihr seid wie Frauen von Pferd, wie sagt man, female horse», sagte die aserbeidschanische Influenzerin.
«Misch dich nicht ein», sagte Lindee, «lerne erst mal unsere Sprache.»
«Hallo ihr Zicken», sagte Gögs, «reisst euch zusammen, wir müssen arbeiten.»
Worauf Ericcah dem homosexuellen Produzenten alle ihre neun Spielkarten ins Gesicht warf: «Zicken? Du bist die grösste Zicke hier!»
«Diese Weiber, es ist immer das Gleiche», sagte der Fotograf vom Ringerverlag zum VJ von «TVsExklusiv», «sind mehr als eine zusammen, gibts Zickenbattle.»
Darauf der VJ nur: «Stutenbissig.»
Es dauerte keine dreissig Sekunden, da lagen sich alle am Tisch und der Produzent in den Haaren, wobei der komplettrasierte Gögs gar keine solchen hatte, und schrien sich gegenseitig nicht reproduzierbare Slangausdrücke ins Gesicht. Doch dann, ultraplötzlich ging ein gehöriger Ruck durch den Club und die Streithühner hielten augenblicklich inne.
«Ein Erdbeben – das Viadukt fällt um!» schrie Tekrim, der gefakte Gastgeber, und Maren rannte zur Tür.

Nacktwandern

«Sag mal, Gudio, die Nacktwanderei bei euch im Appenzell, gibt es die immer noch?» fragte Schur.
«Nein, hat sich gelegt, die Ausserrhoder haben es verboten, und bei uns waren ja alle immer anständig bekleidet», antwortete Chefarzt Langenegger.
«Einem nackten Innerrhoder möchte ich nicht begegnen», grinste Manser, der vor Jahren aus Appenzell augewandert war und im Thurgau eine gutgehende Beiz mit 18 Gaul & Miau-Punkten betrieb, «würde mir grad den Appetit verderben.»
«Was du auf den Tisch bringst, verdirbt mir manchmal auch den Appetit», warf Karre, zynisch, wie man ihn kannte, ein.
«Ich weiss gar nicht wie das sein kann, ich habe dich liberements noch nie in meiner Gaststube gesehen», gab Manser zurück.
Karre, der Garagist aus Appenzell, schmierte des öfteren seinen zynischen Senf in die Diskussion. Er war aus der Sicht der anderen aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen seit zwei Jahren Mitglied im Rotary Club Appenzell-Schwende. Man munkelte, Karre hatte Chefarzt Gudio Langenegger unter Druck gesetzt, um reinzukommen:
«Bring mich in diesen Club, oder ich setze den Motor deines Merz nicht mehr zusammen!»
Es war vor fünf Jahren, Langenegger hatte sich einen Oldtimer mit dem gleichen Jahrgang wie er selber, 1960, angeschafft, einen Mercedes-Benz 190 SL, Cabriolet, rubinrot. Karre sagte, er hätte das Auto in miserablem Zustand in Monte Carlo beschafft, und behauptete, es sei der Wagen, mit dem Grace Kelly damals die Kurve nicht kriegte, was Langenegger nicht so richtig glauben wollte, den Wert des Oldtimers von 130‘000 € aber nicht schmälerte. Langenegger war dennoch sofort verliebt in die Karre und war sich mit Karre schnell handelseinig.
Doch für diesen Preis musste der Merz total restauriert in Langeneggers Hände übergehen. Karre nahm sich den Wagen vor und arbeitete ein gutes Jahr jeden Abend daran. Als er schliesslich das Triebwerk zerlegte, kam Karre bei Langenegger mit der Idee der Aufnahme in den Club. Langenegger blieb nichts anderes übrig, er musste wohl oder übel Karre seinen Appenzeller Rotariern zur Aufnahme vorschlagen. Obwohl der Mann weder Anstand noch Stil hatte, noch nicht einmal einen adäquaten Anzug besass und in der Folge jedes Jahr bis zu vier Mal zur Zahlung des happigen Jahresbeitrags aufgefordert werden musste. Nun hatten sie ihn, den stets bissigen, zynischen, nicht gerade mit überragender Intelligenz, dafür mit überragender Hinterhältigkeit ausgestatteten Garagisten im Club.
«Also dir möchte ich weder nackig noch bekleidet in einem abgelegenen Tal im Alpstein begegnen», raunzte der üblicherweise recht distinguierte Schur Karre an.
«Heute gehen sie viel eher schlecht ausgerüstet in die Berge als gar nicht bekleidet. Dann muss sie die REGA ausfliegen und unser Gudio bekommt Arbeit», meinte Manser. «War da nicht unlängst einer, der mit Flip Flops unterwegs war und im Neuschnee abstürzte?»
«Ja dieser versoffene Journalist aus dem Unterland, dieser Spinner, schier erfroren war der, total unterkühlt, ein Eismann, naja, er hatte wenigstens noch ein Hose an», erinnerte sich Langenegger, «ich habe den zurückgeholt.»
«Wie zurückgeholt, vom Berg?» fragte Manser.
Langenegger schüttelte den Kopf: «Nein, vom Tod seinem Karren!»
Karre: «Habe gehört, der war sturzbetrunken, hat eine Flasche Schnaps geleert in einer Alphütte?»
Langenegger: «Ja genau, aber wegen des hohen Pegels hat er überhaupt überlebt, der Kerl.»
Karre nochmals: «Und unter Drogen war er auch, Koks, oder was war das?»
«Chacrunakraut, Schnaps und Tabletten, eine ziemlich infame Mischung, der muss einige böse Albträume gehabt haben. Ich weiss bis heute nicht, wie er an das Kraut gekommen ist. Er ist eines Morgens abgehauen.»
Wirt Manser: «Was ist Chacruna?»
Langenegger: «Ein psychedelisches Kraut aus Südamerika, ich erklärs dir ein ander Mal, teil du jetzt lieber die Karten aus!»
Manser gab das Spiel, Schilten war Trumpf. Doch dieses Chacruna liess Manser keine Ruhe. Vielleicht könnte man sowas ins Gemüse mischen? Oder als Appetizer, statt Basilico auf Bruschette? Gibt sicher gute Stimmung am Tisch.

Röschtipfanne

«Le roi, c‘est moi», sagte BR Röschti und spielte seinen Herz-König aus.
Aber da widersprach Emmanüelle vehement: «Non, surtout pas, la reine, c‘est moi!»
«Hä, du die Königin», staunte Frau Märkel, «von wie oder was? Von Sexfilmen?
«Oui, isch war la première, die ausgezogen ist, um zu werden ein Symbol!»
«Du meinst, du hast dich ausgezogen, um berühmt zu werden?» meinte Frau Märkel sarkastisch.
«Isch bin ein Symbol….», doch DJ Trömp unterbrach sie:
«Fake News!»
DJ Trömp spielte das Schaufeln-Ass. Er hatte offensichtlich keine Ahnung vom Jassen.
Emanüelle: «Non, je suis un symbole, un symbole du sex!»
«Uidu», meinte Frau Märkel, und DJ Trömp unterbrach schon wieder:
«There is sex in europe? Fake news, there is no sex, just Stormy Daniels, that‘s real sex, bidenway!»
Dann mischte sich BR Röschti wieder ein: «Was meint ihr denn mit Sex? Blümchensex, Binärsex, Promiskuität, Rudelbums?»
BR Röschti wurde ungeduldig: «Würdet ihr jetzt weiterspielen, ihr Sexisten!»
BR Röschti hatte keine Ahnung, von was er da sprach, er hatte zeitlebens nur eine einzige Frau gehabt und den Geschlechtsakt ausschliesslich zur Forpflanzung, bzw. zur Erhöhung der Mitgliederzahl seiner Partei betrieben. Doch am Tisch wusste das niemand.
Schon gar nicht Frau Märkel: «Wir schaffen das!»
Darauf DJ Trömp: «Ok, but what?»
Frau Märkel: «Also, äh, nicht wir, also, nicht wir Vier hier, also ich meine, äh, ja, wir alle halt, wir oder? We are the champignons!»
Darauf Sexsymbol Emanüelle: «Non, vous n‘avez aucun sex-appeal! Nulle!»
Und DJ Trömp warf grinsend ein: «Correct, no sex, the alamannians!»
Frau Märkels Gesicht lief rot an, aber bevor sie etwas sagen konnte, lief auch BR Röschti rot an: «Korrekt, kein Sex im Norden, aber hier in der Pfanne, da haben wir Sex, also, Rösti, also, äh, was jetzt eigentlich, fake news, fake news! Ich beginne von vorne ….».
BR Röschti konnte seinen misslungenen Satz nicht neu aufsetzen, denn Emmanüelle murkste ihn sofort ab, also den neuen Satz, nicht BR Röschti: «Eh bien, alors, wenn man will sagen etwas, dann es sagt man, aber man überlegt vorher, was man will sagen. Also was ich will sagen, Monsieur le cuisinier du capitale de Berne, eine Rösti, die schwarz ist, kann man hinschmeissän den Hunden!»
«What‘s on, we stormy the capitol? Ok, i‘ll be there!»
Da schnappte BR Röschti nach Luft und beinahe über: «Was genau werfen sie mir vor, sie, sie, Symbol, sie, sie Schlüpfrige, sie!»
«Read my lips – fake news, Trömp först and then the capitol!»
Frau Märkel: »Wir schaffen das!»
BR Röschti: «Was?»
Emmanüelle: «Sex dans le Bundeshaus – c‘est vraiment érotique, ooh, monsieur Röschti, voulez-vous coucher avec moi?»

Bob Marley

«Wir haben heute einen besonderen Gast am Jasstisch», sagte der Kaiser, «Benvenuto Signor Bob Marley!»
Drei rechte Fäuste klopften anerkennend auf den hölzernen Tisch.
«Peace my friends, peace!» sagte Bob Marley. Und: «Letz play my songs, äh, sorry, letz play cards together and make love not together!»
Dann nahm Bob Marley einen tiefen Zug von seinem schon zur Hälfte abgebrannten Joint und blies den vom THC befreiten Rauch aus seiner Lunge diagonal über den Tisch. R. R. Tüchel, den sie alle «das Rinozeross» nannten, nicht wegen der immensen Warze auf seiner Nase, sondern wegen seines zweiten Vornamens Rino. Früher mal, als Tüchel noch anständig war, nannte man ihn «Rolls Royce», was meist ziemlich inopportun war. Doch diese Zeiten waren vorbei, als er sich als Hardcore-Rechter und damit absolut binär geoutet hatte. Seit er in der «International Joint Assembly of Tobacco Association (IJATO)» sass, war es vorbei mit der Sympathie des nichtrauchenden Volkes. Er war es auch, der Bob Marley, «The Kiffer King» aus Jamaica, als Gast zur Jassrunde einlud.
«I never smoke or have smoked marihuana, but I am smoking cigarilli ticinesi!» behauptet Tüchel stets, wo immer er hinkommt, aber er kommt eigentlich nirgendwo hin, vor allem nicht vorwärts.
Man spielte mit französischen Karten, zu Ehren, bzw. aus Rücksicht vor dem Jamaican King of Kiffers, weil dieser als Nachkomme afrikanischer Sklaven die Schweizer Spielkarten nicht kannte.
Das Rinozeross musste ausspielen. Er brachte das Schaufel-Ass, «the Ace of Spade, wenntwaischwanimaine!» Tüchel war Hinterrheintaler und wusste meist selbst nicht, was er meinte.
Gipfel war als Zweiter an der Reihe, er spielte das Schaufel-Sexy, und fragte: «Wer oder was ist enad Trumpf?»
Kaiser Haile Selassie meinte mit italienischem Akzent etwas unsicher: «Penso Pik, äh, Karo, äh, yes Karo, dev‘ essere Karo, ha lo stesso colore della mia Toilettenschüssel!»
Gipfel meinte, bemüht kichernd: «Ich glaube, sie, Exzellenz, haben wohl mit Bob auf der Toilette eine Tüte zu viel geraucht.»
«Fumo solo in bagno, meine Kaiserin sein dagegen, ich kaue Khat», meinte der Kaiser, «Khat muss man kauen like a cow cows grass!»
«The grass is always greener on the other side», sagte Bob.
«Man kann Kühe nicht kauen», meinte Tüchel, der keine Ahnung hatte, von was der Kaiser sprach, «but there is Cows kiffing subventioniertes Gras, wenntwaischwanimaine.»
«Und was kifft ihr so im Bundesparlamentsstübli?» fragte Gipfel den Tüchel.
«Wir rauchen nicht, wir trinken subventionierten Epoisses», so Tüchel, «aber meistens hat es am dritten Tag der Session schon keinen mehr.»
«Oh yeah, lets have a jam session», rief Bob.
«Epoisses ist Käse, du meinst wohl Epesses», meinte Gipfel, «macht aber nichts, ist auch subventioniert.»
«Subventioniert isch geil», meinte das Rinozeross, «weil warum sollte der Bund schlechten Wein subventionieren – wenntwaischwanimaine.»
«Wegen der Weinlobby», meinte Gipfel, «weil was sonst liesse sich aus dem sauren Balgacher Beerenstampf machen.»
«My lobby is in my palace», meinte Selassie, «kiff & khat in the castle‘s toilet!»
«Peace, my friends», meinte Bob, «I mean, shit schärfen raucht das Gehirn, äh sorry, reversed, irreversible!»
«Esattamente», meinte Haile, «rigugegl, rauchen ist gesund und gibt eine geile Dings, äh, un umore fantastico!»
Tüchel das Rino, den Cigarillo in der rechten Mundecke – ein Rechter würde niemals eine Cigarillo in der linken Ecke rauchen – nahm lässig seinen Stich zu sich und schmiss lässig den Schaufel-König in die Tischmitte:
«Sorry Mister Kaiser, there is no Kaiser in the game, just a König, but you are in the game, that‘s ridiculous, sorry, grandios, wenntwaischwanimaine!»
Tüchel war sich schon ziemlich sicher, dass er diese Runde gewinnen wird, und nahm einen tiefen Zug aus seiner Cigarillo, dann aus seinem Bierhumpen:
«Ich bin in der Mehrheit, sorry, ich habe die Mehrheit, also, sorry, nein, ich habe die Mehrheit aller Schaufeln, wenntwaischwanimaine!»
«Ich glaube, du hattest deiner Lebtag nie eine Schaufel in deiner Hand», meinte Gipfel, «und ausserdem hast du grad das Spiel verraten.»
Gipfel schmiss erbost alle seine Karten auf den Tisch, natürlich mit den Rücken nach oben, zur Sicherheit, falls es Diskussionen geben würde. Und es gab Diskussionen.
«Ich kann sagen, was ich will», meinte das Rinozeross, «in diesem Land herrscht Meinungsfreiheit!»
«Von mir aus, aber wir sind jetzt hier nicht im Fernsehen», meinte Gipfel cool, «wir sind am Jassen.»
«Non esiste Meinungsfreiheit nel mio paese!» meinte Kaiser Haile Selassie stolz.
«Wir sind hier in meinem Land, Signore König!» meinte das Rinozeross, «wenntwaischwanimaine!»
«Sono il Kaiser», meinte Selassie darauf, ziemlich erbost, «the fucking chief, capisce?»
«Wenn sie der Chef wären, würden sie Martullolullo heissen», meinte Tüchel, «you dream!»
«Peace, my friends, peace!» meinte Marley und drehte sich einhändig die nächste Tüte.
«I dream vom ewigen Kaiserreich con me stesso come il Hailand!» meinte Selassie.
«Ich würde eigentlich lieber jassen statt kiffen!» meinte Gipfel.
«Thatz not kiffing, thatz the joy of living, my friend!» meinte Bob Marley und nebelte den Tisch ein, so dass keiner mehr sah, wer am Tisch sass.
«Seht ihr, wer kifft, blickt nicht mehr durch, wenntwaischwanimaine!» meinte das Rinozeross energisch.
«Peace, my friends, enjoy the joy!» meinte Marley.
«Ich stelle einen Rückforderungsantrag!» meinte das Rinozeross.
«Non c‘è nulla da pretendere!» meinte der Kaiser.
«I am the great pretender!» meinte Bob.
«Ich will nach Hause!» meinte Gipfel.
«Peace, my friends, peace!» lallte Bob.
«I will shoot the sheriff!» drohte das Rinozeross.
«I am the fucking Kaiser, non il sheriffe!» schrie der Kaiser.
«You are my Hailand, peace on you!» skandierte Bob the Marley.
Jetzt schmiss auch das Rinozeross seine Karten auf den Tisch, und weil er ziemlich verärgert war, achtete er nicht, welche Seite der Karten oben zu liegen kamen.
«Du hast schon wieder Informationen unter der Hand weitergegeben, du Parlamentsrossrino!» schimpfte Gipfel.
«Geht dich doch nichts an, dies ist ein freies Land!» bellte der Angeschimpfte zurück.
«Non cè paese libero, ich bin der Kaiser & der Hailand und erschiesse alle Serifen!»/ brüllte Kaiser Haile Selassie und seine Stimme überschlug sich dabei.
«Peace, my friends», beruhigte Bob Marley, «be a Rastaman & smoke Marihuana!»
«Ich rauche verdammt nochmal, was ich will und jetzt rauche ich Cigarillo di Ticino», sagte das Nashorn, «und zwar mit subventioniertem Tabak, wenntwaischwanimaine!»
«Rauchst oder frisst oder trinkst du auch mal was, was nicht subventioniert ist, Herr Nationalnashorn?» fiel ihm Gipfel ins Wort.
Darauf Tüchel: «Nichts was durchs Maul geht, ist nicht subventioniert. Ausser Marihuana, drum don‘t bogart that joint my friend, reich das Ding rüber zu mir!»
Der Nebel im Raum war inzwischen derart dicht, dass niemand mehr sah, wer sprach und wer was meinte. Bob, Haile und das Rinozeross waren ebenso dicht und suchten ziemlich schwankend, die Arme über den Schultern des Anderen, den Ausgang. Um was es eigentlich ging bei diesem Jam, nämlich ums Jassen, hatten irgendwie alle ausser Gipfel komplett vergessen.
Gipfel selbst wachte auf, als sein Flug ausgerufen wurde.

Binär im Spital

«Habt ihr gestern den ESC geschaut», fragte Langenegger in die Runde und spielte den Schellen-Ober aus.
«Ja natürlich», sagte Karre, dessen rechter Fuss in einem dicken Gips steckte, «dieser schwule Typ auf dem Kreisel war der Hammer!»
Zwei Krücken lehnten an seinem Stuhl.
«Der ist nicht schwul, der ist nur nicht binär», grinste Polizist Dibidäbi, «und ausserdem darf man schwul nicht mehr sagen, göll!»
«Ich sage, was ich will und das ist wahr. Und wo ist denn der Unterschied, komm gib endlich eine Karte», sagte Garagist Karre.

Dibidäbi haute sein Schellen-Ass raus: «Weiss ich nicht, binär ist vielleicht das neue schwul.»
«Non-binär ist beides oder nichts», wusste Arzt Langenegger und staunte ein wenig, weil sein Ober stach, «das ist eine Geisteshaltung, also Hirnsache».
Sie spielten gerade «onenufe» und darum stach die niedrigste Karte der ausgespielten Farbe alle anderen.

«Man kann nicht nichts sein», sagte Gipfel, «aber beides schon.»
Um Gipfels linkes Knie war ein dicker Verband gewickelt, und er sass in kurzen Sporthosen da. Wo man Haut von ihm sah, war sie voller frisch abgeheilter Narben. Er hatte vor einigen Wochen einen üblen Bergsturz von der Hoch Petersalp überlebt und stand kurz vor seiner Entlassung aus dem Spital.
Karre, der eine Autoreparaturwerkstatt betrieb, war vor einigen Tagen ein Motorblock eines BMW X5 xDrive40i (TwinPower Turbo 6-Zylinder-Verbrennungsmotor mit 280 kW/381 PS zu 113‘500 CHF) auf den Fuss gefallen, aus einem Meter Höhe. Der BMW stand auf dem Lift, als irgendwie, keiner weiss warum, sich der Motor aus seiner Aufhängung gelöst hatte und krachend herunter fiel. Karre fiel sechs Wochen aus, sein rechter Fuss für immer. Er hatte zurzeit genug Zeit, um mit seinen Kumpels zu jassen und sich ausserdem zu überlegen, ob er sich eine Fussprothese aus einer Chrom-Titan-Nickel-Legierung oder eine drei Mal teurere aus Graphen-Nano-Röhren-Material anpassen lassen sollte. Denn was den professionellen Geizkragen am meisten bei der Sache ärgerte, war, dass er weiterhin ein ganzes Paar Schuhe kaufen musste, obwohl er nur den linken Schuh brauchte.
Er sagte: «Genau, man kann nicht nichts sein, also man kann nicht kein Geschlecht haben.»
«Das ist eine Kopfsache», meinte Chefarzt Langenegger, der sich für die Jassrunde eine Stunde Pause bei seinem Job nahm, «der Typ fühlt sich weder als Mann noch als Frau, darum weder-noch, eben non-binär.»
Karre: «Also sind Leute, die Mann oder Frau sind, binär? So etwas habe ich noch nie gehört, solche Leute sind doch ganz einfach normal und alles andere ist abnormal. Entweder man hat ein Pfeifchen oder ein Schlitzchen.»
«Non-binär, sonen Seich», unkte Polizist Dibidäbi, «dann ist er ein Es, wie der Bundesrat Maurer gesagt hat, sein Nachfolger könne Frau oder Mann sein, es sei ihm egal, aber sicher kein Es.»
Dibidäbi kicherte, er wollte zeigen, dass er in der sogenannten Genderdebatte voll auf der Höhe war.
«Männer wie Frauen sind binär, Es ist non-binär», klärte Langenegger auf, «aber Es ist im Kopf und nicht im Schritt!»
«So wie einer mit einem Schniddel denkt, er sei eine Frau und darum schwul ist», warf Gipfel ein, «oder umgekehrt.»
«Aber wenn er sich zwischen die Beine schaut, muss er doch sehen, dass er ein Mann ist», sagte Karre und verzog seine Stirn.
Langenegger: «Männer, es ist ganz klar, schwul sein oder lesbisch ist eine Sache im Kopf, einen Schniddel zu haben oder eine Zwetschge, ist eine körperliche Sache!»
Dibidäbi: «Und die, die beides haben?»
Langenegger: «Sind eben Es.»
Dibidäbi: «Und die, die nichts haben?»
Langenegger: «Sind in ihrem Stammbaum eine Sackgasse. Aber sie könnten eine Karriere als Countertenor anstreben.»
Dibidäbi: «Also ein Es ist jemand, der im Kopf anders verdrahtet ist als sein Körper aussieht.»
«Da muss etwas ziemlich schiefgelaufen sein», raunzte Gipfel, «spielt endlich weiter, ich muss aufs Zimmer mein Knie hochlegen, tut abartig weh.»
Langenegger zählte seine Stiche: «98 und den Letzten, 103, was heisst schiefgelaufen, in der Natur läuft immer etwas schief, sonst wären wir nicht da.»
Knarre, ironisch: «Aber der Mensch war doch bis jetzt das Beste, was die Natur gemacht hat, und jetzt vermasselt sie alles wieder?»
Langenegger: «Nur weil die Natur dem Menschen ein Hirn gab, heisst das noch lange nicht, dass er das Beste ist. Die Hirne hat die Natur sehr ungleichmässig verteilt.»
Gipfel, ungeduldig: «Wer weiss, vielleicht wird der Mensch bald durchgehend ein Es sein, vielleicht ist das besser, es gäbe keine Geschlechterkonflikte mehr und die Araberinnen müssten keine Kopftücher mehr tragen.»
Dibidäbi: «Und man müsste nicht mehr vögeln, wird ab 40 liberements mühsam, göll.»
Knarre: «Nicht gut, die Menschheit würde sich nicht mehr fortpflanzen und ich bliebe auf meinen BMWs sitzen.»
Gipfel: «Dann verschenkst du sie halt denen, die noch richtig krassen Heavy Metal hören statt deinen albanischen Koksdealern.»
«Dreitausend, wir bedanken uns», sagte Chefarzt Langenegger, «tut mir leid, ich muss noch eine Krampfader strecken.»
In diesem Moment dudelte Dibidäbis Handy: «Hegottsack, ein Überfall auf die Kanalbank, ich muss, hents no loschtige!»
Dann sagte Gipfel zu Karre: «Holst du uns noch zwei Bier, Knarre, mir tut grad die Kniescheibe gopfvergessen weh!»
Karre antwortete ziemlich missmutig: «Und was meinst du zu meinem Fuss? Flach wie ein Ferrari, und der tut nicht weh? Hols dir selber!»
Gipfel stand von seinem Stuhl auf, verzerrte vor Schmerz sein Gesicht und sagte:
«Ich hol mir ein Bier und schmeiss‘ mir dann eine Schmerztablette rein, und zwar in dieser Reihenfolge.»
Knarre: «Ja hau rein das Zeug, und bring mir auch eins!»
Gipfel grinste frech: «Was denn, ein Bier oder eine Pille?»
Darauf Knarre: «Zwei Bier, quöllfrisch, hilft zuverlässiger als Pharma!»

Herz ist Trumpf


«Herz ist Trumpf!» sagte der Schwingerkönig, nachdem er mit der Moderatorin per Ablupf den Trumpf bestimmte. Der 140-Kilogramm-Mann sass beim «Donnschtixjass» im Fernsehen auf dem fünften Stuhl am Tisch, Kamera 1 direkt gegenüber. Er teilte jedem am Tisch, ausser sich selbst, drei mal drei Karten aus. Die Moderatorin sagte zum Stargast:
«Du darfst beginnen!»
«Hihihi!» kicherte der Stargast, der diesmal eine Stargästin war, nämlich die Schlagersängerin Kikki Leandros.

Gipfel fragte sich, ob ein Star mit einem solchen Namen überhaupt jassen kann. Beim Schiedsrichter wunderte er sich, wie einer mit einem solchen Namen überhaupt Schwingerkönig sein kann.
Der König hiess Urs de la Montagne. Ein Quotenaussenseiter.
Jede Fernsehsendung, ob Show, Doku, News, Serie oder Movie hatte neuerdings Quotenteilnehmende, also jemand, der oder die eine Minderheit vertritt. Treibende Kraft hinter diesen möglichst niemanden diskriminierenden Regeln waren die sogenannten «Woken», eine Bewegung, die sich vornahm, es allen recht zu machen und niemanden aufgrund seiner Andersartigkeit, seines Geschlechts bzw. seiner sexuellen Gesinnung, was nicht unbedingt das Gleiche ist, seiner Hautfarbe, seiner Herkunft, seiner Essgewohnheiten, seiner eingebildeten oder tatsächlichen Allergien, seiner Grösse oder seiner Fähigkeit, selbst zu denken, ausschliessen wollte. Und zwar in allen Gesellschaftsbereichen, so in der Kirche, in der Politik und im Militär oder in der Kunst oder eben im Fernsehen. Und die beste Möglichkeit, dies der Bevölkerung zu vermitteln, beziehungsweise zu indoktrinieren, war das Fernsehen.Beim «Donnschtixjass» erfüllte der Schiedsrichter die Rolle des Andersartigen. Der war in seinem früheren Leben Sportschwinger, und zwar König in dieser Sparte. Er vertrat also gleich zwei diversitäre Gruppen, nämlich die der eingebürgerten Ausländer und die der Schwinger (nicht Swinger, obwohl auch diese können divers sein können). Damit entledigte sich der Sender eines weiteren Problems, nämlich bei jeder Durchführung und Live-Übertragung eine oder einen AussenseiterIn zu suchen und einladen zu müssen. Der Quotenaussenseiter war so von vornherein gesetzt, es brauchte also jedes Mal nur vier einigermassen gewandte JasserInnen, wovon jeweils eine/r ein prominenter Star irgendwelcher Art sein und eine/r am Telefon weitab des Jasstischs mitspielen musste. Natürlich konnte diese/r, also musste, vor dem eingeschalteten Fernsehgerät zuhause, in der Badi, im Zuchthaus oder sonstwo die Sendung verfolgen, sonst wüsste er oder sie nicht, was gerade Trumpf war. Warum diese/r Teilnehmende noch dazu in einer Kiste in einer Gegend fernab des Spielortes eingesperrt sein musste, wusste eigentlich niemand so genau ausser der Erfinder dieses Showjasses, nachgewiesenermassen ein Mann namens Felix.
Deshalb mussten die Kameraleute unbedingt darauf achten, dass die Kartenfächer der Mitspielenden nicht zufällig ins Bild gerückt wurden und dem/der Spielenden in der Kiste dadurch ein, wenn auch sehr kleiner, Vorteil zuteil wurde. Die Sendung erhielt damit eine gewisse Steifheit, weil für die Zuschauenden immer die gleichen Einstellungen zu sehen waren. Zudem musste der Stargast, ab der eintausendsten Sendung erstmals eine Stargästin, stets den Nachteil in Kauf nehmen, das Spiel beginnen zu müssen. Auch das eine Regel, die der Spielerfinder gesetzt hatte, warum auch immer. Trotzdem war die Vorabend-Sendung beim entsprechenden Publikum äusserst beliebt und schlug bei der Quote (die der Zuschauenden, nicht die der Diversen) regelmässig sogar die der nachfolgenden Tagesschau, aber nicht die von «Meteo».
Der Star Kikki Leandros, die als eingebürgerte Zypriotin in einem gewissen Sinne auch Quotenaussenseiterin – wobei man eigentlich nicht wirklich wusste, ob sie eingebürgert war oder einfach nur schon ewig in der Schweiz lebte – war, spielte die Schaufel-Acht aus und kicherte. Ihr Nachbar zur Rechten war Chefarzt Gudio Langenegger, der sich in Gedanken fragte, warum der Star kicherte, sagte dennoch kein Wort und stach mit seiner Schaufel-Dame. Der nächste in der Runde war Gipfel, er spielte sein Rosen-As aus, weil er keine Schaufeln im Blatt hatte. Er sagte kein Wort und kicherte auch nicht. Am Telefon gab Edmund Schur, der emeritierte Psychiater, der schon über Neunzig war und wegen Problemen mit seinem Bewegungsapparat nicht ins Fernsehstudio kommen konnte, womit diesmal klar war, dass er in die Kiste musste, der sonst redseligen, leicht übergewichtigen Moderatorin, die auch nichts sagte, was sehr auffällig war, die kurze und bündige Anweisung, den Schaufel-König auszuspielen.
Damit gehörte der Stich ihm, Schur, und er überlegte kurz, welche Karte er nun ausspielen sollte. Er hatte vorhergesagt, natürlich verdeckt, denn es gehörte zu dieser Art des Jass, dass nur der Schiedsrichter zu wissen bekam, wer wieviele Punkte zu punkten gedachte, aufgrund seines starken Blatts 72 Punkte zu punkten. Er gab seinem Telefon-Gegenüber, Moderatorin Manna Frassnacht, die gut vernehmbare Anweisung, das Herz-As auszuspielen, also den dritthöchsten Trumpf.
Kikki Leandros kicherte. Warum auch immer. Dann spielte sie die Herz-Dame. Langenegger, der sich darüber aufregte, dass mit französischen Karten gespielt wurde, wo er doch ein eingefleischter Deutsch-Kartenspieler war, als Appenzeller, schmiss seinen letzten Trumpf hin, ohne jedoch seinen Ärger über die «falschen» Karten preiszugeben oder sich anmerken zu lassen, die Herz-Acht. Gipfel hatte gar keinen Trumpf und spielte seinen Eventual-Bock, den Eggen-König, in die Mitte des Tisches. Er hatte nun ein blitzsauberes Blatt in den Händen, nämlich vier niedrige Kreuze und vier Eggen, das Eggen-Banner war dabei die wert- und hierarchiehöchste Karte. Er traute sich zu, damit keinen Stich machen und hatte de la Montagne, was auf Deutsch «ab dem Berghang» heisst, bei der Ansagerunde eine «Null» auf einem dafür vorgesehenen Zettelchen zugeschoben.
Nun, da Gipfel sauber war, konnte er mit einem Grinsen im Oberbauch weiterspielen und zusehen, wem es «eins reinhaut» (Jass-Slang), wer also viel mehr Punkte punktete als er oder sie wollte oder viel weniger. Er konnte nun auch nachvollziehen, warum die Starsängerin gegenüber ihm ständig kicherte. Doch die hatte mitnichten ein sauberes Blatt, im Gegenteil, sie stach und stach und sammelte dabei Punkte, die sie bestimmt nicht sammeln wollte. Dachte Gipfel, die Sache schien für ihn gelaufen, und zwar in seinem Sinne gelaufen.
Doch es kam anders. Alle Trümpfe wurden viel zu früh ausgespielt und im drittletzten Umgang liess Schur via Manna Frassnacht zwei hohe Eggen ausspielen, womit er und Gipfel beim letzten Stich die einzigen waren, die noch Eggen hatten. Schur, der sich besser in die Psyche Anderer als seiner eigenen denken konnte, spielte die Eggen-Sechs, Gipfel fluchte in seinen Oberbauch und musste mit seiner Eggen-Sieben stechen. Ein Desaster! 21 Punkte musste er sich kumulieren lassen, das Kreuz-As und die Zehn vom Kreuz, und für den letzten Stich noch 5 zusätzliche Punkte.
«Jemand hat beschissen», rief er vor laufender Kamera. Kikki und Manna erschraken heftig und starrten mit weit aufgerissenen Augen Gipfel an. Der Schwinger mit Zweitberuf Schiedsrichter fühlte sich in seiner Kompetenz verletzt. Er katapultierte explosionsartig seine 162 Kilogramm aus seinem Stuhl nach vorne und riss mit seinem Vorbauch den Jasstisch mit, wodurch die spindeldürre Kikki aus Zypern zwischen der Lehne ihres Stuhls und der Tischkante eingeklemmt wurde. Der nur sekundenbruchteillange Schockmoment reichte, Kikki in höchsten Schrecken zu versetzen, in dessen Folge sie beide Arme in die Luft warf, wobei sich die linke Hand in ihren mehrfach um ihren Hals gewundenen Kunststoffperlenketten verfing und diese zerriss.
Nun schrie Moderatorin Frassnacht recht laut auf, nicht ob des Desasters, sondern weil ihre Seite der Tischkante an ihr Kinn schlug und sie sich damit auf ihre eigene Zunge biss, wobei sie, ihrer Beleibtheit – nicht Beliebtheit! – sei Dank, nicht vom Stuhl fiel, so wie ihrerseits Kikki Leandros gerade im Begriff war. Kikki wiederum wäre von ihrem Stuhl gefallen, wenn sie nicht von dem zufällig dort stehenden Kabelträger namens Erich, der die ganze Zeit schon ein Auge auf den Star geworfen hatte und schnell begriff, was zu tun war und somit sein Kabel fallen liess, aufgefangen worden wäre, wobei sich die Perücke des Stars deutlich sichtbar, auch für die Kamera und somit auch für die Fernsehzuschauenden, verschob.
De la Montagne alias Abdemhang achtete nicht auf das von ihm verursachte Desaster am Tisch und schrie: «Was sagst du, du Schreibheini, natürlich habe ich aufgepasst, niemand hat beschissen, du hast keine Ahnung vom richtigen Jassen!» Worauf Gipfel, der üblicherweise zum Streiten viel zu phlegmatisch war, sich von seinem Stuhl erhob und ohne Punkt und Komma Abdemhang entgegen schrie: «Du magst vielleicht ein guter Swingerkönig sein aber als Schiedsrichter bist du eine totale Fehlbesetzung und ausserdem eine Spassbremse und ich glaube du kannst gar nicht jassen dafür umso besser Sägemehl fressen!»
Gipfel lehnte sich dabei nach vorne und gab dem Tisch Widerstand, doch als der Produktionsleiter namens Eric ihn an den Schultern fasste und ihn zurückzog, schob der Herr von der Halde den Tisch aufgrund seines formidablen Gewichts in Gipfels Richtung, verlor dabei das Übergleichgewicht und fiel bäuchlings auf den Tisch. Der wiederum war zwar recht stabil, aber eben doch nur in Leichtbauweise gebaut, damit sich die Studioleute nicht überhoben, zerfiel sodann in fünf Einzelteile plus fünf Tischbeine.
Nun lagen der Schwinger, die Jasskarten, die ausgeleerten, jedoch nicht zu Bruch gegangenen Wasser- und Weingläser der Spielenden, die Plastikperlen der Sängerin Kikki Leandros, ihre Perücke, die noch intakte Brille sowie acht der zehn falschen Fingernägel der Moderatorin Manna Frassnacht sowie die Trümmer des Jasstischs auf etwa sechzehn Quadratmeter verstreut am Boden. Zusätzlich liess eine temporär beschäftige Fachkraft Gastronomie (Serviertochter) vor Schreck ein Tablett mit vier vollen Stangen zu Boden fallen. Es gab eine Sauerei, und der derzeitige Freund von Manna Frassnacht, der sich bisher im Hintergrund hielt, eilte besorgt zu seiner Liebsten und sagte voller Liebe:
«Schatz, ist dir etwas geschehen?»
Kikki, der eine falsche Wimper vom linken Augenlid hing, suchte, tränenüberströmt, auf den Knien herumrutschend nach ihrer künstlichen Haarpracht, derweil Frassnacht die Augen weit aufriss und sich mit beiden Händen ihren blutenden Unterkiefer hielt. Langenegger, der sich gerade noch früh genug von seinem Sessel erhob, schrie «hey» und rannte rund herum um das Desaster, um Frassnachts Kinn, beziehungsweise Zunge zu untersuchen. Der Schwingerkönig lag bäuchlings auf den sperrhölzernen Bestandteilen des Jasstischs und fluchte ebenso wie Eric, der quasi der Chef im Raum war und trotzdem einen ziemlich hilflosen Eindruck machte.
Mindestens ein Kind im Publikum begann nun zu weinen, beziehungsweise zu schreien, eine ältere Zuschauerin fiel in Ohnmacht, kurz vorher krächzte sie noch: «Mein Gott Manna!» Der eine der beiden Kameramänner, der in relativer Distanz zum Tisch operierte, zog nun nacheinander beide fahrbaren Kameras zurück und brachte sich dann selbst in Sicherheit. Erich, der zweite Kameramann, homosexuell und sozusagen auch Quotendiverser, kümmerte sich sehr liebevoll um Kikki Leandros, die ohne Perücke wahrlich keinen besonders adretten Eindruck machte, und half ihr auf die Beine. Der Sendeleiter im sicheren Produktionsraum drückte eiligst ein paar Knöpfe und liess Sekunden später die Info «Sendestörung – wir arbeiten am Problem» auf den Bildschirmen der Zuschauenden zuhause erscheinen. Den Zuschauenden in der Gaststube des «Alpenblicks» im schaffhausischen Ramsen, von wo der «Donnschtixjass» jeweils live gesendet wurde, blieb grösstenteils der Schreck im Hals stecken, worauf sie vorerst gar nichts mehr von sich gaben und erst am darauffolgenden Mittwoch zaghaft begannen, Leserbriefe des Bedauerns ob Frassnachts gespaltener Zunge sowie besten Wünschen zu Kikkis baldiger Genesung an das TV zu schreiben.


Klostervirus

«Du bist dran mit Geben», sagte Polizist Dibidäbi zu Karre, der ihm gegenüber sass.
«Bist du sicher», grinste der Garagist.
«Todsicher», warf Dr. Langenegger ein, «so sicher wie das Virus aus einem chinesischen Labor!»
«Du meinst, dass Tiara wirklich in China gezüchtet wurde, um uns auszurotten?» fragte Dibidäbi halb scherz-, halb ernsthaft.
Langenegger: «Alles weist darauf hin, die Amis und Franzosen stellten es fest, nur die Chinesen streiten es ab. Die Franzosen fanden sogar heraus, dass die Seuche in einem tibetischen Kloster ausbrach. Den Mönchen hat es aber nichts ausgemacht, sie waren irgendwie immun, so dass niemand was merkte.»
Dibidäbi runzelte seine haarfreie Schädeldecke. Langenegger bemerkte es, wusste aber nicht ob es wegen der Karten war, die der Polizist in seiner Linken hielt, oder ob dem, was er gerade sagte.
«Schellen», sagte Karre und warf den Trumpf-Puur in die Mitte der Matte.
Karre: «Ja aber warum und wie kam das Virus dann vom Kloster in dieses Labor?»
Gipfel hatte keine Trümpfe und warf ohne ein Wort zu sagen eine für ihn wertlose Karte, den Rosen-Ober, in die Mitte der Matte.

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Langenegger, der mit Karre zusammenhielt, schmiss zufrieden grinsend den Eicheln-Ober auf die drei Karten in der Mitte der Matte und sagte «Drüblatt!»
Gipfel: «Von was?»
Der Chefarzt deutete auf den Ober: «Von diesem Ass!»
Karre grunzte auf den Stockzähnen und brachte sein Nell: «Also wie jetzt mit diesem Virus?»
Langenegger: «Also es ist etwas kurios, aber die haben es so rausgefunden: Das Kloster nahm an einem wissenschaftlichen Programm teil. Es ging um Untersuchungen des Spermas von Mönchen. Ein Bote brachte Proben aus dem Kloster in ein Labor. Dabei muss er sich und dann die Laborleute angesteckt haben. Der Pöstler und der Laborleiter starben innert zehn Tagen und zwei Laboranten bekamen eine heftige Grippe. Man fragte sich natürlich was da passierte und fand dann das neue Tovid-Virus.»

Nach zwei Umgängen waren schon sechs Trümpfe gegangen. Garagist Karre räusperte sich – für Langenegger war das ein klares Zeichen. Die Gegner spürten intuitiv, dass es passieren würde. Karre brachte das Trumpf-Ass, holte sich damit den siebten Trumpf und hatte nun selbst den letzten, die Schellen-Acht, in seinem Blatt. Karre spielte weiter aus, sein Partner behielt, was er behalten musste. Dann flog das Eicheln-Zäni auf die Matte, Langenegger stach mit dem Ass und brachte seine zwei Eicheln. Den letzten Stich holte sich wiederum Karre mit dem einzigen verbliebenen Trumpf.
«Leider nur zweifach, aber es reicht trotzdem – wir bedanken uns!» rief Karre. Gipfel zählte bei beiden die Striche auf der Schiefertafel nach, alles richtig, Karre sagte: «Match und Schluss, drei Striche auf der Rückseite, damit sind wir sechs voraus, ich muss leider gehen, muss noch einen Lambo verkaufen, auszahlen bitte!»
«Na toll», brummte Dibidäbi und suchte nach Münz in seinem Portemonnaie.
Gipfel sagte zu Chefarzt Langenegger: «Glaubst du die Geschichte, die du da grad erzählt hast?»
Darauf dieser: «Technisch kann es schon sein. Aber du weisst ja selber, was die Medien zusammenzapfen, das ist in den Fachmedien nicht besser, und dass die hohe Politik da und dort auch mal ein Gerücht, das ihr dient, verbreitet, weisst du auch. Aber die Geschichte ist ja noch gar nicht fertig. Angeblich sei das Virus nach der Enteckung sofort in ein Labor der Chinesen nach Djibouti gebracht worden. Erst dort sei es aus irgendwelchen Gründen, man sagt, wegen eines Autounfalls, in die Umgebung gelangt. Und man sagt auch, die Ersten, die es aufgelesen haben, sind italienische Soldaten vom Stützpunkt dort gewesen, die wiederum hätten es nach Norditalien gebracht. Dann gings ja bei uns los.»
«Italienische Soldaten, Djibouti, Chinesen, also das ist schon alles ziemlich krass, opferdelli», sagte Gipfel und suchte nach Münz in seinem Portemonnaie.
Darauf Polizist Dibidäbi: «Jaja, die Weltpolitik ist manchmal krass, gut dass wir nicht alles wissen, göll!»
«Keine Ahnung, wo dieses Dschibuti ist», knurrte Karre und packte seinen Gewinn in seinen Geldseckel, «und meine Italo-Karren sind mir lieber als Italo-Soldati mit Tiara.»
«Djibouti, hm», dachte Gipfel laut, «da war doch mal was, Djibouti, opferdelli, … .»

Popeye (der mit dem Spinat)

MELLIEHA. Gestern war der Höhepunkt meiner Movie-Spot-Tour durch Gozo. Dazu musste ich jedoch über den «Channel» hüpfen. Denn Popeye wartet nicht auf Gozo, sondern auf Malta. Also rüber mit der Gozo-Channel-Ferry. Das Besondere bei dieser Fähre ist, dass man erst beim Zurückfahren bezahlen muss. Das heisst, wenn man nach Gozo fährt, bezahlt man erst mal nichts, wenn man dann zurück fährt, zu Fuss oder mit dem Auto, bezahlt man. Es gibt keinen anderen Weg von und nach Gozo (ausser man schwämme), darum kann die Fährenbetreiberin das so machen. Ist auch sehr effizient, es halbiert die Warteschlangen.

Also rüber nach Malta. Die Fähre fährt gleich vor meiner Haustür. Ins Popeye-Village fährt Bus No. 101. Nach 20 Minuten bin ich da. Es ist schon recht heiss und man muss vor dem Tickethäuschen warten, weil da Covid-bedingt nur 4 Personen gleichzeitig drin sein dürfen. Wie das so ist vor Schaltern, schaffen es die kompliziertesten Leute immer als erste davor zu stehen. 15 Minuten stehe ich in der Hitze des Tages, die hinter mir noch länger. 15 weitere Minuten reichen mir dann, um mir das kleine Film-Dorf anzusehen.

Popeye Village – eigentlich «Sweethaven Village» – wurde 1979 für den Musical-Film «Popeye» als Kulisse aufgestellt. Den Seemann mit dem harten Schlag spielte Robin Williams selig, seine Partnerin war Shelley Duvall (die Hysterische aus «The Shining»). Regisseur war Robert Altman. Das lustige, schiefe und scheinbar demnächst in sich zusammenfallende Dörfchen wurde nach dem Dreh stehengelassen und zum Freizeitpark ausgebaut. Diverse Kurz-Shows spielen sich da ab, es gibt eine Beiz, ein Kino, diverse Souvenirshops (wobei man sich fragen kann, ob man ausgerechnet Modeschmuck anbieten muss) und man kann auch im Meer baden. Wenn man allerdings nur das tut, ist der Eintritt von 18€ zu teuer. Den hätte ich mir auch sparen können, denn es gibt einen Weg um das Dörfchen, von wo man alles sieht und auch bestens fotografieren kann. Vielleicht hätte ich mich nicht in die Warteschlange drängeln sollen und mich besser erst mal umgesehen.

Bild: Popeye (immer mit Pfeife im Mund) ist vorübergehend ausser Gefecht, derweil sich Kapitän Bluto seine Geliebte Olive Oyl schnappt. Aber Popeye erholt sich und………

Ix-Xini

Ix-Xini mit Brad (und Angelina)

IX-XINI. Wie ich schon zu Beginn dieser Reise hier erwähnt habe, haben auch Brad und Angelina schon auf Malta gedreht. Genauer gesagt, auf Gozo. Noch genauer: Ix-Xini. Eine malerische kleine Bucht im Süden der Insel. Zu Fuss kann ich die Bucht von meinem Hotel in einer Stunde erreichen. Mit dem Taxi in zehn Minuten. Aber das macht ja keinen Spass, denn der Spaziergang entlang der Küste ist ein Erlebnis. Das Taxi kann man sich für den Rückweg aufheben, wenn man dafür nicht den selben Weg nehmen möchte. Es gibt nur zwei Wege nach Ix-Xini, der zweite dauert zu Fuss min. 2 Stunden bis zur nächsten Bushaltestelle. Also, man könnte, wenn man wollte, mit dem Taxi zurückfahren. Doch die Taxifahrer wissen, dass man nicht allzu viele Möglichkeiten hat, von da wieder wegzukommen, also schalten sie die Uhr aus und verlangen einen horrenden Preis, der auch nach dem Herunterhandeln noch zu hoch ist. Aber was soll’s, es sind Covid-Zeiten, da muss jeder irgendwie für sich schauen.

Ix-Xini (über die Pronomen ix, i, ta, tas, tal, har, hal bin ich mir immer noch nicht im klaren) ist in den letzten Jahren, wo die Strasse dahin ausgebaut wurde und/oder jeder Malteser ein Boot besitzt, zur beliebten Badebucht geworden. Im Winter ist kein Mensch da, im Sommer alle. Also muss man im Winter hin, auch auf die Gefahr hin, dass die kleine Beiz am einen Ende der 400 Meter langen, nur 20 Meter breiten Bucht offen hat. Letztes Jahr war ich im März da, niemand gebadet, aber die Beiz war offen und es waren auch ein paar Leute da. Der Spaziergang dahin fordert Tribut, auch im Winter bei unbedecktem Himmel. Tribut heisst Bier (Cisk) und natürlich Geld. Leider hatte ich zuwenig im Sack, selbst für ein Bier zuwenig, wo man doch überall alles auch mit der Credit Card bekommt. Die Beizerin in der Beiz von Ix-Xini akzeptiert aber keine Kreditkarten. Kein Cisk also. Und auch kein Taxi. Also zu Fuss zurück. Aber nicht auf dem selben Weg. Ich gehe keine selben Wege zurück, nie. Also zurück auf der Strasse, die einen richtig weiten Bogen macht bis Xewkija. 2 Stunden zu Fuss in the heat of the winter. Dort gibt es bei der San Gwann Battista (Kirche), wo gerade beerdigt wurde, die Home Base des Xewkija Tigers Football Club (Bar), wo es Bier gegen Mastercard gab.

Und ja, worauf ich eigentlich hinauswollte: In der Bucht Ix-Xini haben Brad und Angelina 2015 den Film «By the Sea» gedreht. Da gabs dann fast den ganzen Sommer auch kein Bier in der Bar. Die Filmcrew nahm gleich den ganzen kleinen Strand mit zwei Häuschen in Beschlag und baute alles um. Brad und Angie spielten ein Ehedrama. Wohl in unweiser Voraussicht (es war ihr letzter gemeinsamer Film). Der Film hatte zwar ein Happy Ende wurde aber trotzdem ein Flop. Der eine oder die andere Tourist/in, der das weiss, besucht die Bucht (mit dem Leihwagen, denn zu Fuss gehen da wirklich nur Spinner hin) und kauft sich ein Souvenir im Kiosk. Ich war vorgestern (Sonntag, ich Depp, die Bucht war komplett mit Badenden belegt) da. Diesmal hatte ich Bargeld dabei, für 2 Flaschen Wasser (33cl) und 1 Glace namens Nuii. Ich ging wieder nicht den selben Weg zurück, sondern nahm eine «Abkürzung» durch dürre Stoppelfelder. In the heat of the summer.

Nicky Farrugia

MARSALFORN. Dieser Handlauf ist der berühmteste in ganz Malta. An ihm hielt sich am 28. Juli 1985 Nicky Farrugia, damals 25, fest, nachdem er von Sizilien herübergeschwommen war und exakt hier aus dem Wasser stieg. Und zwar als erster Mensch. 87 Kilometer in 30 Stunden und 17 Minuten. Weltrekord! Von Ragusa nach Marsalforn. Damit ihn die Haie nicht frassen, schwamm Farrugia in einem Metallkäfig, der von einem Schiff gezogen wurde. So verlor er auch nicht die Orientierung.

Vier Jahre später schwamm der Kerl auch durch den Ärmelkanal (in 12 Stunden und 40 Minuten). Dann wurde er Landesmeister im Triathlon und Duathlon. Und er wurde in der Hall of Fame des Malta Olympic Committee aufgenommen, was nicht allzu viele Sportler auf Malta geschafft haben.

Nicht nachvollziehbar ist, ob der Handlauf extra für Nicky Farrugias Anlandung aufgestellt wurde. Denn etwas anderem dient er eigentlich nicht. Kein Mensch geht hier baden. Der Sandstein ist hier ziemlich scharf und schnittig und die Wellen branden selbst in ruhigen Tagen recht wild an die Felsen. Farrugias Rekordschwumm kam dieser Tage auf Malta wieder ins Gerede. Denn am 26. Juni 2020 schwamm der frühere Olymionike und Umweltaktivist Neil Agius die Strecke von Sizilien nach Malta in 28 Stunden, 7 Minuten und 27 Sekunden, ohne Käfig. Aber eben, von Sizilien nach Malta. Farrugia schwamm von Sizilien nach Gozo. So sind also beide Erstbeschwimmer der Strecke von Italien nach Malta.