carnival
fasnacht sei die zeit, in der das fleisch teuer ist, weil die leute noch reinhauen, bevor es dann 40 tage lang keines mehr gibt. dies ist die erklärung für den begriff «carneval», also «wertvolles fleisch», zu der mich aldo, mein hotelier hier in kalkara, inspirierte. so hab‘ ich mir’s in der tat noch nie überlegt. na ja, logisch ist das auf jeden fall. ich hab‘ mir deswegen heute mittag ein «ribeye steak» gegönnt, 250 gramm schwer und medium durch. gegönnt hab‘ ich mir das teil mitten im trubel der valletter fasnacht, in die es mich verschlagen hat, ohne dass ich so recht wollte. aber wieder einmal hat mich ein falsch bestiegener bus dahin geführt, wo neue erfahrungen lauern. freiwillig wäre ich heute, wo der ganz grosse fasnachtsumzug stattfindet und demzufolge kreti & pleti auf der strasse ist, nicht nach valletta reingefahren.
auch malta kennt die fasnacht. «carnival» heisst das hier, fünf tage dauert sie, zurzeit ist grad halbzeit. der tradition folgend, bauen die malteserinnen und malteser riesige umzugswagen mit bombastischen fantasiesujets. dazu tanzen viele tänzerinnen und ein paar tänzer in aufgedonnerten kostümen aus schaumgummi und plastik zu total durchgeknallter und noch viel lauterer musik um die wagen. das ganze findet am sonntagnachmittag im verkehrsbefreiten zentrum vallettas statt. aber weil es für die vielen wagen innnerhalb der engen stadt keinen bereitstellungplatz gibt, stellen sich die von kleinen traktoren gezogenen sujets vor der stadt auf. dann werden sie von der polizei durchs stadttor geschleust, was logischerweise und folgerichtig zu einem totalen und kompletten verkehrschaos führt.
heuer sei, schreibt «THE SUNDAY TIMES OF MALTA», zum ersten mal seit 80 jahren wieder ein satirisches motiv an der fasnacht aufgetaucht. zum thema hat sich eine wagenbauergruppe das gebaren des amtierenden und erst vor einem dreiviertel jahr gewählten ministerpräsidenten joseph muscat gemacht. der nämlich hatte unlängst die idee, die staatskasse mit dem verkauf von maltesischen EU-pässen aufzubessern (malta hat z.z. eine staatsverschuldung von gut 5 mia € (was natürlich ein pipifatz ist, jedoch hat malta nur 400’000 einwohnende, somit eine pro-kopf-verschuldung von etwa 12’500 €, was wiederum auch nicht dramatisch ist, liegt z.b. deutschland doppelt so hoch)). 650’000 € soll der preis für den weinroten pass betragen (wobei dieser preis nach protesten der opposition unlängst verdoppelt wurde). zum zweiten wird muscat mangelndes feingefühl in sachen volksseele angekreidet. die regierung plant nämlich eine flüssiggasschiffsentladestation beim grössten elektrizitätswerk (es gibt auf malta nur 2 EW’s, beide stellen strom mittels verbrennung von heizöl her), um die abhängigkeit von öl zu vermindern. gegen dieses vorhaben gibt es opposition von seiten der anwohnenden zweier dörfer im umkreis von nur 1 kilometer (dazu muss man sich vorstellen, dass üblicherweise solche entladestationen im offenen meer gebaut werden und andere schiffe während des entladen’s mindestens 2 meilen abstand halten müssen).
und zum dritten wird auf malta aktuell ein «stromdiebstahlskandal» breitgeschlagen. mehrere bedienstete des staatlichen stromlieferanten ENEMALTA haben nämlich kunden, die dies wünschten, manipulierte stromzähler «verkauft», die bis zu 75 % weniger strom messen. 1’200 € kostete so ein gefakter zähler, rund 1’000 stück seien abgesetzt worden, 30 mio € betrüge der schaden, sagt die untersuchungsbehörde. dabei sei malta das erste EU-land, das vor zwei Jahren flächendeckend die intelligenten «Smart Meter» eingeführt hat, mit denen man den stromverbrauch auf kilowattsekunde und minute genau analysieren kann. nun ist malta auch das erste land, in dem im grossen stil mit diesen gescheiten zählern beschissen wurde (dem vernehmen nach seien die zähler in süditalien «frisiert» worden). PM joseph muscats vergehen ist nun, dass er die 1’000 «kunden» nicht strafverfolgen will, sondern nur die handvoll techniker bei der ENEMALTA (von denen einer bereits 2 jahre absitzt).
so wird auf malta politik betrieben. sauhäfeli saudeckeli. dazu passt, dass eine freundin der gattin des PM, michelle muscat, soeben den job der maltesichen tourismusrepresäntanz in new york erhalten hat. der posten ist mit 60’000 € pro jahr dotiert. überaus anstrengen braucht sich die dame nicht. kann sie auch nicht, da sie nebenher hauptamtlich eine bijouteriekette führt. ihre businesspartnerin dabei heisst michelle muscat.
trotzdem ist malta entspannend. auch wenn die fasnacht mit pauken und trompeten gefeiert wird (drüben in valletta, meine residenz ist z.z. in kalkara). ohne feuerwerk geht selbstverständlich auch dieses fest nicht über die bühne. das knallen und tätschen ist auch ein symbolisches ventlil für die vielen vetterligeschäfte der regierenden, die nicht oder nur zähfliessend an licht kommen.
