nackte horden

Posted by michl on 09/04/2014 in träwel |

sicher nöd. nein, florenz war nie die stadt meiner träume. sie wird es auch nie sein. gut, die toscana ist immer für ein gutes essen gut, auch florenz hat diesbezüglich einiges zu bieten. das «tre merli» in der via dei fossi zum bespiel («drei Amseln»; «merlo» bezieht sich aber eher auf die typischen Zinnen vieler Gebäude der Stadt, auch «schwalbenschwänze» genannt), das sich auf die typische florentiner küche rückbesinnt hat. es gibt dort «trippa alla fiorentina», etwas das aus oder vom bauch kommen muss, denn als ich die cameriera gefragt habe, was es ist, hat sie lachend auf ihren bauch gedeutet. kutteln, denke ich, eigentlich liebe ich sie, aber reflexartig sagte ich «o no!», weshalb ich wohl ein abenteuer verpasst habe (hab’ dann «fritto dell’aia» gegessen, in bierteig frittierte poulet-, kaninchenfleisch- und zucchettistückchen).

nun, essen ist aber auch alles, das sich in florenz lohnt. nebst einer horde junger nackter, in stein gemeisselter männer gibt es in florenz nämlich auch horden von touristen. dabei ist der ausdruck «horden» bestimmt nicht übertrieben (die tourismusbehörde florenz’ wird mich steinigen), der begriff «gruppen» reicht dafür einfach nicht. sie kommen zu fünfzigst oder mehr, streunen schnatternd durch die strassen, nur ein ziel vor sich: die nächste kirche. zuvorderst geht immer eine oder einer mit einem offenen oder geschlossenen, jedenfalls immer bunten regenschirm. oder einem fähnchen. dem oder der rennen sie dann nach oder bleiben unvermittelt stehen, ganz gleich, ob auf der strasse, vor dem fussgängerstreifen, oder auf plätzen, von denen es in florenz zu wenige gibt, deshalb wird es auch eng in den strassen der historischen altstadt (noch dazu hat es die zuständige behörde nicht geschafft, das zentrum wirklich verkehrsfrei zu bekommen (trotz prominentem ex-bürgermeister und wer weiss vielleicht auch baldigem ex-premierminister), denn taxis und busse und polizei und anwohner und restaurateure und lieferanten und stadtfunktionäre, als0 alle, dürfen trotzdem duch die fussgängerzone fahren).

und so wird ein stadtbummel zum horrortrip. touristen sind in der gruppe nämlich blind. sie sehen nicht, dass auch noch andere, z.b. einzelgängertouristen, also ich, da sind, also bin. wenn der vorderste die menukarte bei der tür eines restaurants studiert, stehen alle anderen bei, hinter oder neben ihm bei der türe, so dass niemand sonst mehr reinkommt. steht das restaurant in einer engen gasse, kommt sonst niemand mehr durch die gasse. stehen zwei oder drei dieser horden (als 100 bis 150 leute) vor dem eingang einer der in der tat grossartigen kirchen und kathedralen florenz’, kommt sonst neimand mehr rein, bzw. er/sie steht hintenan, stundenlang.

so geschehen heute morgen. vorfall 1 (eigentlich noch innerhalb meiner toleranzschmerzgrenze): ich stehe recht früh auf (07h20), weil ich gestern, dem tag der ankunft, festgestellt habe, dass das hotel ausgebucht ist, und ich nicht in den grossen rush zum frühstück geraten will. ausserdem hatte ich noch etwas vor  (siehe vorfall 2). doch ich geriet in den grossen frühstücks-rush. in mir nicht nachvollziehbarer weise hatte die gestern abend eingecheckte horde halbwüchsiger schüler/maturanden (irgendeine nordische sprache) genau das selbe im sinn. der frühstücksraum ist fast voll, als ich frischgeduscht und ebenso frischen mutes in denselbem ankomme. die maturanden sind ausgesprochen ausgeschlafen, was nie in aller ruhe abgeht und vereinnahmen innert sekunden alle verfügbaren kaffeetassen. auf einigen tischen stapelt sich benütztes geschirr und halbvertilgte brotresten sowie der ganze übliche abfall der zeitgenössischen frühstückauf- und zubereitung. fluchtartig verlasse ich den frühstücksraum, packe meine siebensachen und checke aus.

vorfall 2 (nicht mehr innerhalb meiner toleranzschmerzgrenze): ich will zwecks persönlichem kulturupdate die weltberühmten uffizien besuchen, möglichst gleich nachdem sie öffnen (o8h15) – vergiss es. da stehen gefühlte 250 plappernde und schwatzende und ungeduldige hordenteilnehmende vor dem eingang und warten. sie warten weil sie nur kleingruppenweise eingelassen werden, damits drin vor der kasse nicht gleich den nächsten stau gibt. drin wird erst mal jeder und jede gescannt und auf verdacht abgetastet (weil der scanner säureflaschen ev. nicht sieht). so wartet man, ich meine: würde man, ich wage nicht zu mutmassen, etliche minuten bis halbstunden warten, auch wenn man eine «prenotazione» (im vorverkauf erstandenes ticket) hätte. ich warte nicht einmal eine halbe minute, nachdem ich glaube, die lage erfasst zu haben und such’ mir ein gemütliches eckcafé zwecks einnahme eines kaputscho.

florenz ist keine individualreise wert. in tausenden von bussen werden jeden tag zehntausende von tourist/innen (die meisten sind jugendlich, maturand/innen, diplomand/innen, student/innen, aber es hat auch ältere chines/innen, koreaner/innen, japaner/innen oder norwegische/schwedische/dänische familien und italienische liebespaare) angekarrt und auf das historische zentrum und die «ponte vecchio» (auf der es nichts anderes als schmuck von zweifelhafter qualität zu kaufen gibt) losgelassen. und die florentiner geschäftsleute (und die afrikanischen sonnenbrillenverkäufer und die bettelnden zigeunerinnen) machen richtig kohle. auch die stadt verdient dabei nicht schlecht: mit der exorbitant hohen «city tax» von 2€ – ohne gegenleistung.

denn jetzt muss ich erst mal packen. die ausgehschuhe noch, den kabelsalat für die ladegeräte und ein buch («the spade man» – schauder schauder). und jetzt leg‘ ich mich vor den fernseher und gönn‘ mir ein kleines quöllfrisch. bio selbstverständlich.

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