Kaffee aus dem Katzenklo

Posted by michl on 14/10/2020 in nebi |

Der teuerste aller Kaffees kommt aus Osttimor. Ist der Kaffee, der schon mal verdaut wurde, auch der beste?

MICHAEL HUG

Man weiss: Kaffee ist nicht gleich Kaffee. Grundsätzlich gibt es guten Kaffee und löslichen Kaffee. Dann gibt es noch den so genannten Kaffee beim Burgerbrater am Kreisel und den im Rössli am Dorfplatz. Der im Rössli ist der schlimmste, dafür aber weit und breit der teuerste. Vier Franken Neunzig für eine Tasse. Das «äxgüsi-unser-Kaffee-ist-so-schlecht-da-schenken-wir-Ihnen-ein-amuse-bouche-dazu» ist ein furztrockenes Chröömli aus Italien. In Zürich, könnte auch Genf sein, gibt es den landesweit teuersten aber meistens nicht den besten Kaffee. Zürich-Flughafen ist die Hölle: Sechs Franken wollen sie da für einen Espresso. Und sagen dazu noch «expresso». Das «expresso» haben viele Beizer falsch verstanden: sie pressen die Hälfte siedendes Wasser durch die selbe Menge Kaffeepulver in eine eiskalte dünne Tasse und legen ein Schöggeli von vorgestern dazu. Sauf‘ Gast, zahl‘ und mach‘ dem Nächsten Platz!

Katze friss oder stirb

Katze friss oder stirb heisst es beim Luwak Kaffee. Der südostasiatische Fleckenmusang (Paradoxurus hermaphroditus) liebt Kaffee. Vielmehr das was um die Kaffeebohne herum ist, das Fruchtfleisch. Eine Kaffeebohne ist nämlich wie eine Kirsche, von der wir Menschen ja das lieben, was um den Kern herum ist. Den spucken wieder aus oder, Kind, verschlucken ihn. Der Kern, Stein, kommt hinten wieder raus, irgendwann, unverdaut. Bei der Kaffeebohne und dem Fleckenmusang ist das genauso: Der Musang, auch Schleichkatze genannt, frisst die Kaffeekirsche und scheidet den Kern, die Kaffeebohne, mehr oder weniger unverdaut wieder aus. Kaffee aus dem Katzenklo sozusagen. Menschen gehen hin und sammeln die Schleichkatzenscheisse ein. Daraus wird dann Kaffee auf dem ordinären Weg: rösten, mahlen, heisses Wasser drüber. Klar, man muss die Bohnen aus der Kloake auch noch etwas reinigen, sonst riechts und schmeckts übel, was aber eigentlich auch kein grosses Problem wäre, denn es gibt ja auch auf dem normalen Weg übelriechenden und -schmeckenden Kaffee, der ohne Wimpernzucken getrunken wird.

Kaffee aus Katzenscheisse

Der Kaffee aus Katzenscheisse stammt vorwiegend aus Osttimor und Vietnam. Denn dort lebt der Fleckenmusang. Früher, als die ausgeschiedene Bohne für den Genuss entdeckt wurde, gingen die Menschen in den Busch und suchten sich den Dung der Schleichkatzen zusammen. Die so praktizierte Art der Kaffeebohnenextraktion hat nämlich auch eine verfahrensoptimierte Seite: Man muss das Fruchtfleisch der Kirsche nicht mehr von der Bohne trennen, das besorgen die Mägen der Katzen. Die Buschmänner und -frauen, wahrscheinlich in der Mehrheit -kinder, machen gutes Geld damit, denn der «Luwak» lässt sich in der ersten Welt gut verkaufen. 250 Franken kostet ein Kilogramm Kopi Luwak (Luwak-Kaffee). Aber wozu in den Dschungel schweifen, sieh‘ das Gute liegt in der Kafigbatterie. Also züchtet man Schleichkatzen im Hinterhof wie bei uns Kaninchen. Aber so richtig en gros. Jetzt gibt es in Südostasien Hundertausende Musangs in Kafigbatterien, die für die westliche Welt Kaffee scheissen. Auf Futterbeigaben aus dem Dschungel, Vogel- und Echseneier, frisch geschlüpfte Küken und Insekten, Mäuse und sonstiges Kleingetier müssen die Musangs da verzichten. Es gibt nur Kaffee als Hauptspeise.

Geschmack durch Nassfermentation

Die Konsistenz- und Geschmacksveränderungen der Kaffeebohne Luwak-Style während des Verdauungsvorgans sind höchst interessant. Grundsätzlich findet im Magen der Katzen statt, was in allen Mägen dieser Welt stattfindet, eine Nassfermentation. Dabei wird das Fruchtfleisch der Kaffeefrucht zur Verdauung aufbereitet, gleichzeitig wird aber auch die Kaffeebohne angegriffen. An der äusseren Schicht der Bohne werden Kerben freigelegt, die es den Magensäften erlauben, in die Bohne zu dringen. Die Enzyme des Magens richten keinen Schaden an, im Gegenteil, der Geschmack der Bohne wird durch Proteinspaltung verändert, scheints verbessert. Das Aroma dieser Bohnen werde, so die Behauptung, besser, gehaltvoller, mundiger. Wer genau hinsieht, also hinschmeckt, sagt auch: erdiger, muffiger, modriger. Seis drum. Luwak schmeckt auf jeden Fall anders und wie so vieles auf dieser Welt, das selten und deshalb teuer ist, verändert es seine Reputation erst im Hirn des Essenden zur Delikatesse. Man denke da an Kalbszunge, Andouille, Kaviar. Alles grausliches Zeugs, das schon mal durch Maul oder Magen ging.

Erschienen am 1. September 2020 im Nebelspalter

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