Imago Dei – copy & paste

Posted by michl on 13/03/2021 in nebi |

Gott erschuf den Menschen nach seinem Ebenbild. Schön wärs! Gott gab sich alle Mühe, aber an dieser Aufgabe scheiterte er kläglich. Oder behauptet da wirklich jemand, wir seien wie Gott?

MICHAEL HUG

«Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.» So steht es geschrieben im 1. Mose 1,27. Im 1. Korinther 11,7 wird die Sache etwas relativiert: «Der Mann soll sich das Haar nicht kunstvoll zurechtmachen, da er Abbild und Abglanz Gottes ist; die Frau aber ist Abglanz des Mannes.» Korintherinnen hätten wahrscheinlich eine etwas differenziertere Formulierung gewählt, es begab sich aber zu jener Zeit, dass Frauen nicht an der Bibel mitschreiben durften. Die anmassendste aller Anmassungen, nämlich im Buch der Bücher zu behaupten, dass Gott (der liebe) den Menschen, also sowohl die ersten beiden wie alle folgenden, nach seinem Ebenbild geschaffen hat, ist eines Machos Werk.

All das ist Gottes Werk?

Der Mann (Mensch) ist Gottes Abbild. Aber hallo! Der Mensch hat den Krieg erfunden. Den Börsenhandel. Den Lockdown. Alles Schlechte dieser Welt. Und all dies ist Gottes Abbild Werk. Die Welt der Gotteskopien ist eine Grossbaustelle unter jämmerlichem Management. Lasset uns klar sehen: Wenn Gott gewollt hätte, dass es so herauskommt, hätte er bestimmt gar nicht erst damit begonnen, zwei sich selbst reproduzierfähige Menschen gemäss seiner Vorlage zu bauen. Dann hätte er es sein lassen und sich schon am sechsten Tag ausgeruht. Das einzig Gute daran ist, dass der evolutionierte Mensch immerhin gelernt hat, dass man am Samstag besser nicht arbeitet, es kommt ja eh nichts gescheites dabei raus. Stattdessen ruht man sich zwei Tage aus statt nur einen und konzentriert sich während der ersten fünf auf gute Taten. So guts halt geht.

Vermenschlichte Abkömmlinge

Ganz anders lief es in späteren Kulturen ab. Bzw. früheren Kulturen, die Kultur, die sich die Anmassung, zu wissen, wie der Mensch entstand und das «imago dei» erschaffte, leistete, war das Christentum, und das ist, gemessen an den Aeonen der Weltgeschichte, eine recht spät auf dem Tableau erschienene Kultur. Jedenfalls waren die alten Griechen wie auch die alten Römer mit Gottesbildern früher dran. Sie schufen gleich eine ganze Sammlung von Göttern und vermenschlichten Abkömmlingen. Auch die alten Ägypter frönten dem Glauben, dass der Mensch, nicht alle, aber ein paar Könige (Pharaonen) immerhin, nach Gottes Ebenbild geschaffen, wenn nicht gar von ihm, also ihr, geboren wurden.

Demut adäquater als Anmassung

Auch die Kelten und Pikten, Wikinger und Inkas, Hindus und die sogenannten Heiden Afrikas, Apachen und Komantschen erdachten sich einen oder mehrere Gotts oder Götter. Aber allen kam nicht einmal im Schlaf in den Sinn, sich als Abbilder ebendieser zu bezeichnen. Denn wer Vulkane spucken, Meere sich erheben oder die Sonne auf- und untergehen lassen kann, ist viel grösser und mächtiger als der Mensch – er (oder sie) ist allmächtig. Das sind Menschen ganz bestimmt nicht. Adäquater als Anmassung erschien diesen Kulturen Demut: wir sind Untertanen unserer Götter und sie bestimmen jederzeit unser Schicksal. Sie lassen uns leben und/oder sterben, sie schicken uns schöne Frauen und fette Wildsauen und schenken uns ein Haus oder überziehen unser Land mit Seuchen. Da gibt es eigentlich nur eine Massnahme: gehorchen, Schutzmasken tragen und gegebenenfalls beten.

Gott muss ziemlich dumm gewesen sein

Doch wir glauben an das imago dei, Gottes Ebenbild. Gott hat sich vermenschlicht in uns, also sind wir wie er. In der Folge hielt sich das erste denkende Wesen für etwas Besseres, für ein göttliches Wesen, ausgestattet mit allem, womit Gott auch ausgestattet ist, ausser Unsichtbarkeit. Daraus folgt, dass Gott (der liebe) ziemlich dumm gewesen sein muss. Dumm, intrigant, aggressiv, egoistisch und kritikresistent. Und gierig, siehe Eva. Dann ging es weiter mit copy & paste: die ersten beiden Menschen taten, was Gott tat, nämlich sich ihre Ebenbilder schaffen. Das lief aber schon nach zwei Versuchen so richtig aus dem Ruder. Was nach dem Totschlag des Zweitgeborenen der ersten Eltern geschah, hat die frühmenschliche Forensik nie herausgefunden. Wahrscheinlich eben genau aus dem Grund, weil es danach nicht mehr weiterging. Wie hätte sich ein einziger Sohn denn reproduzieren können? Hat er etwa die Mutter…..? Uidu, sowas darf man gar nicht denken.

Denken ist nicht des Menschen Stärke

Denken. Nicht des Menschen Stärke. Wunschdenken dagegen schon. Imago dei, das ist Wunschdenken. Schön wärs, denkt der Mensch, solange, bis er (oder sie) glaubt, es sei wahr. Gott hat uns nach seinem Ebenbild erschaffen. Ich bin also Gott. Na gut, nicht gleich Gott, aber wie Gott (diesbezüglich bin ich, der Autor, diesem Zustand schon ziemlich nahe; der Name Michael bedeutet nämlich «wer ist wie Gott?»). Es wäre schön und zudem gut, wenn wir alle wären wie Gott. Vorausgesetzt dass Gott ein lieber ist. Wenn nämlich nicht, würden wir nicht sein wollen wie Gott sondern zweitbestenfalls so, wie wir gerade sind. Andere Alternativen gibt es nicht. Gibt es nicht? Wir könnten versuchen, besser zu sein als Gott. Aber nein, wir führen weiter Kriege, wir beuten aus, wir heizen zuviel, zeigen am Wochenende unsere Autos und haben darob noch ständig Angst, dass wir von einem Virus oder/und dem Sensenmann heimgeholt werden. Das ist sicher nicht das, was Gott getan hätte, hätte er überhaupt jemals etwas getan. Denn die Frage bleibt: Hat er uns wirklich nach seinem Ebenbild erschaffen und wenn ja, warum?

Erschienen am 1.04.2021 im Nebelspalter

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