macellaio ac/dc

Posted by michl on 18/04/2014 in träwel |

er sei kein metzger wie es sein vater und sein grossvater waren, sagt dario cecchini. er müsst’s nicht mal besonders erwähnen, man vermutet’s auch so schon, wenn man ihn mal erlebt hat. in seiner kleinen «antica macelleria cecchini» im zentrum von panzano in chianti gibt es keine grosse auslage mit perfekt hindrapierten fleischstücken aller art und aller tiere. die kleine vitrine hätte auch alle mühe, das angebot einer durchschnittlichen ländlichen metzgerei überhaupt aufzunehmen. in cecchini’s auslage liegen nur drei produkte: zwei armdicke salami, eine davon angeschnitten, etwa ein dutzend verschieden grosse filetstücke vom rind, alle vakuumverpackt, sowie ein schweinskopf, modelliert aus schweineschmalz.

da könnte er auch den knecht schicken, denkt man sich, und müsste nicht selbst hinter der auslage stehen. doch zum nachdenken kommt man nicht bei cecchini. kaum setzt man einen fuss in den laden, hat man schon ein glas in der hand und einen jungen praktikanten vor sich, der das glas mit billigem chianti aus einer 2-liter-bastkorbflasche füllt. man soll sich ungeniert bedienen, meint der jungmetzger und deutet auf den tisch vis à vis der auslage. drauf liegen dutzendweise mit schmalz geschmierte brotstücke, dutzendweise mit olivenöl beträufelte, bzw. in selbiges getränkte weissbrotstücke, dazwischen eine portellanplatte mit scheiben (nicht scheibchen) von salami des selben tips wie der in der auslage. man greift also zu und nochmal, und es schmeckt himmlisch, und selbst leute, wie z.b. frauen, die sonst nie schweineschmalz (cecchini nennt es («burro del chianti») essen würden, stopfen sich die fetten knabberdinger in den mund. und dann, nach einer halben stunde des degustierens, des parlierens mit dem capo, falls er sich zeigt, mit zuprosten zu wildfremden leuten, mit sich-aus-dem-weggehen um sich nicht auf die füsse zu stehen, weil die kleine antike metzgerei viele leute anzieht, die mitunter bis auf die strasse anstehen, nicht nur wegen der fetten häppchen, sondern auch wegen der show, dem umstand, dass alles gratis ist und wegen des dabeigewesenseins. und wegen der stimmung.

denn in der macelleria von dario cecchini gibt es auch musik, und nicht zu leise. wenn der chef da ist, dann gibts harten rock von ac/dc («highway to hell», der fleischweg zum himmel), sonst eher poppiges oder auch mal klassisch gedämpftes («kleine nachtmusik»). wenn der chef da ist, ist der laden erst recht voll und die stimmung schier am explodieren, dann dreht er, der chef persönlich, den volumenregler an seiner musikanlage so richtig hoch. cecchini, begnadeter clown und entertainer auch, schneidet salami, jongliert mit seinen messern, präpariert mit schwungvollen handgriffen eine speckseite, die vier ofenstunden später zu einem knusprigen und fetten braten für das fussvolk wird. fussvolk deshalb, weil der macellaio, den sie lieben im dorf, trotz des krach’s in der gasse oft bis spät in die nacht, es noch versteht, wie man fleisch für das einfache volk produziert und anbietet. durchgeknallt ist er vielleicht aber nicht abgehoben, er prostet den leuten zu, fordert sie auf, wacker zuzugreifen, und man fragt sich, ob der gute mann eigentlich seinen ganzen laden verschenkt.

natürlich nicht. dario cecchinis umsatztreiber ist nicht (nur) das fleisch in der auslage, sondern jenes auf den tellern der gäste in seinen drei lokalen, die er rund um seinen laden eingerichtet hat. dort führt der metzgermeister vor, wie er seine blutige philosophie lebt: nur das beste fleisch und alles wird verwertet. sein «menu solociccia» zu 30€ umfasst 10 gänge, neun davon bestehen aus fleisch. und zwar aus fleisch vom «vacca intera», das heisst vom ganzen rind, also auch die weniger edlen stücke. z.b. das «ramerino in culo», das von irgendwo am hinteren ende der kuh stammt, oder geschmortes siedfleisch («umidi») oder etwas, das sich wie schwartenmagen anfühlt aber vom rind ist. dazu gibt es rohes gemüse, gekochte bohnen, genug wein und wasser und zum guten ende «grappa cecchini» à disrcetion, d.h. die bedienung stellt gleich die ganze flasche auf den tisch. 50 alkoholprozente hat der vorzügliche grappa und er birgt die gefahr, dass der abend auch ein ungutes ende nehmen kann, bzw. der nächste morgen.

noch viel fleischiger gehts beim menu «officina della bistecca» zu und her. nur fünf gänge hat dieses dinner, doch es birgt die gefahr, dass man sich danach eine woche lang oder länger dem vegetarismus zuwendet. bei jedem gang gibt es ausschliesslich fleisch und dabei nur das edelste des galizischen rinds, das cecchini extra für sich züchten lässt. sowohl das «chianti crudo» (tartar), das «Carpaccio di culo» (carpaccio), das «Costata alla fiorentina» (rib eye steak), das «bistecca panzanese» (entrecôte) wie auch das famose «bistecca fiorentina» (porterhouse steak) stammen vom rindsrücken (kotelett). die gänge zwei bis fünf werden direkt vor den augen der gäste auf dem kohlengrill gebraten und selbstverständlich gibt es auch zu diesem menu (50€) «vino di vittorio» und fünfzigprozentigen schnaps zur freien verfügung. genau, und etwas rohes gemüse gibts auch, fast vergessen.

dario cecchini ist kein metzger der alten schule. als solcher wäre seine macelleria wahrscheinlich längst eingegangen. mit seiner innovation hat er erfolg und zwar weit über die toscana hinaus. der ruf seiner events hat sich in halb europa herumgesprochen und mancher toscanatourist kommt vom hörensagen hierher für einen abend. oder auch nur um sich kostenlos mit schmalz und salami vollzustopfen. dem meister ist es recht, wenn die leute fleisch essen. er ist ein kämpfer für den fleischgenuss, er reist durch die halbe welt und demonstriert seine philosophie mit grill-shows und live-schlachtevents, bei denen er vor 2’000 zuschauern eine sau fachmännisch ausnimmt. «wer tiere zum essen tötet, trägt verantwortung», sagt cecchini. ihm geht es nicht ums masslose fressen, sondern eben genau ums umgekehrte: ums bewusste essen. vom besten aber auch vom sogenannt minderwertigen. man muss es nur augen-, hirn- und gaumengerecht auf- und zubereiten.

www.dariocecchini.com

 

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