Posts by michl:
entschiffung #17
es naht der moment, an dem die liemba ihr ziel – zum zweitletzten mal in diesem jahr – erreicht haben wird. ihr ziel ist der kleine hafen mpulungu, der einzige sambische hafen am lake tanganjika.
Letztes Frühstück am falschen Tisch
wir sind spät dran. wegen der reparatur am generator im ausgangshafen kigoma ist der ganze fahrplan über den haufen geworfen worden. was bedeutet, dass die liemba mitten in der nacht in mpulungu einlaufen würde. doch in der nacht gibt es in diesem kleinen provinzhafen keinen service, d.h., keine zollabfertigung usw. sambia lässt die liemba darum schon gar nicht einlaufen. also muss der stop in kasanga, dem letzten hafen vor der grenze, bis zum nächsten morgen verlängert werden. für mich ist das die gelegenheit, auszusteigen.
Was er wohl träumt, der kleine Junge?
ich habe keine lust auf eine weitere nacht in dieser engen kabine, keine lust auf den unterirdischen mief auf der toilette, aber vor allem auch keine lust mehr auf das einheitsmenu «chicken rice» (alternativ gäb’s auch «beef ugali» (oder über’s kreuz) im angebot, aber nachdem ich mal beobachtet habe, wie ein küchengehilfe mit der baren axt auf einen riesenklumpen gefrorenes gnu-, büffel-, rind- oder was auch immerfleisch reingehauen hat, ist mir der appetit vergangen). also entschliesse ich mich, die liemba kurz vor dem ziel zu verlassen. obwohl die aussichten in diesem kaff nicht grade vielversprechend sind: keine beiz, kein hotel, nur 1 bus pro tag und der fährt morgens um 5 uhr.
jetzt ist es aber erst 18 uhr. wieder einmal hilft yussuf. er spricht von einem freund, der bei kasanga ein lodge führt. kurzentschlossen rufe ich an. oscar ist sehr hilfsbereit (weil sehr geschäftstüchtig), holt mich sogar am hafen ab und verspricht mir einen znacht, plus frühmorgendliches geleit zur bushaltestelle. das angebot des znacht nehmen auch yussuf, eddy und shira an. oscar kommt aber nicht mit auto, sondern mit boot. in einem höllenritt bei schierem vollmond bringt er uns über die kleine bucht zu seiner «liemba beach lodge». innerhalb einer stunde zaubert er uns aus seiner holzkohlenküche ein mehrteiliges vegetarisches menu (kein fleisch im haus weil grad keine gäste da sind) auf den tisch. inklusive bier und unterhaltung bis mitternacht. dann stellt oscar den strom am hauseigenen generator ab und bringt die drei anderen zur liemba zurück. ich erhalte einen bungalow zur alleinigen verfügung, in dem ich leidlich gut die erste ruhige nacht nach drei eher unruhigen (nicht wegen des wellengang’s, sondern wegen des palaver’s der passagiere auf den aussenkorridoren, das mitunter ganze nächte gedauert hat) verbringe. ausserdem entschliesse ich mich, trotz völliger absenz von strom (der diesel wird nur abends hochgefahren) und deshalb absehbarem erzwungenem ende meiner schreibwut infolge akku leer, hier noch eine weitere nacht zu verbringen, da ich überhaupt keine lust habe, in gut vier stunden schon wieder aufzustehen.
Der Mann winkt nicht zum Abschied – er will Geld für’s Foto
Aussteigen im Hafen von Kasanga, letzter Halt vor der sambischen Grenze
am nächsten morgen sehe ich grad noch, wie die liemba den hafen verlässt, innert sechs stunden ist sie schon wieder zurück. ich nehme ein bad im see und lasse mir von oscar (ich bin der einzige gast) ein fischmenu («fish & rice») zubereiten. er hätte ihn (den fisch) extra für mich heute morgen aus dem see geholt, sagt oscar, und dabei benzin für 10’000 tsh verbraten. damit zeigt er auf, was hier am teuersten ist: treibstoff. alles andere ist fast oder ganz gratis. der der natur also gratis abgerungene fisch (bzw. die beiden fische, je einer mittags und abends) kommt mich schliesslich auf 20’000 tsh (11fr) zu stehen, absolut das teuerste aller menus in den letzten 5 tagen. doch wer will da klagen, oscar habe ich mit meinem besuch eine riesenfreude gemacht und seiner familie ein paar weitere tage überleben geholfen. ausserdem ist sonntag.
Mit dem Boot geht’s zum Geldwechseln ins nächste Dorf, im Hintergrund Oscar’s «Liemba Beach Lodge» in der Bucht von Kasanga
damit ist das abenteuer «liemba» zu ende. die rückkehr nach dar es salaam will ich euch nicht vorenthalten. sie dauert noch einmal so lange wie der trip zum und auf dem lake tanganjika. am montagmorgen um halb fünf werde ich von den beiden jungs und einem neffen oscar’s geweckt. die drei tragen mein gepäck den steilen trampelpfad (der bei regen offensichtlich auch ein bachlauf ist) zur bushaltestelle hoch. dann wollen die drei geld, das war klar. da ich grad keine kleine shillingnoten mehr habe, reiche ich dem wortführer eine 1-dollarnote hin. er hat keine ahnung, wieviel das ist, aber nachdem ich im erklärt habe, dass dies 1’500 shilling sind, meint er, das sei zu wenig. frech der kerl, denke ich. das muss reichen, sage ich (500 tsh sind hier angemessen für eine dienstleistung; die jungs könnten damit z.b. 1 flasche wasser, 1 zeitung oder 10 zigaretten kaufen. nichts davon werden sie tun (die menschen hier am see rauchen praktisch überhaupt gar nicht), aber sie werden die kohle schon irgendwie durchbringen). während wir auf den bus warten, spielen alle drei mit ihren handy’s (jeder tansanier und jede tansanierin ab ca. 15 jahren hat ein handy). auch ein weiterer passagier, der da im dunkeln sitzt, spielt mit dem handy (herumnuscheln am handy und telefonieren ist überhaupt die hauptbeschäftigung vieler leute hier, da unterscheiden sie sich nicht vom rest der welt, fraglich bleibt nur, wie sie das bezahlen). um 05h15 kommt der bus vom dorf her den berg hochgeächzt. die strasse ist ein einziges desaster (strasse? alpweg!), sie führt noch viel weiter hinauf und der bus schafft’s mit knurren und knarren doch.
Die Szenerie hat gewechselt: Passagiere und fliegende Händler auf einem TAZARA-Bahnhof irgendwo im Niemandsland des tansanischen Süden’s
die fahrt nach sumbawanga dauert 5 stunden. der anschluss richtung süden (tunduma, mbeya oder gleich dar es salaam) ist gewährleistet (darum fahren die busse in den entlegenen dörfern so früh ab). die fahrt nach tunduma dauert weitere fünf harte stunden auf fortgeschritteneren strassen. in tunduma verpasse ich es, auszusteigen, deshalb sitze ich (schwarz) nochmal 2 stunden auf diesem immer härter werdenden sessel. in mbeya übernachte ich 2 mal feudal (erstes internet nach 10 tagen) und kaufe ein zugticket nach dar. der höllentrip im «superseater» (flugzeugsitzabteil) des TAZARA-zug’s (Tansania-Zambia-Railways Corp.) durch urwälder und savannen (inkl. sicht auf flusspferde, geier und störche sowie elefantenskelette und eingeborene) nach dar dauert netto 26 stunden, inklusive abfahrtsverspätungen 33 stunden. im zug gibt es 2 restaurants mit bier und 2 täglich nicht wechselnden menu’s «(chicken/rice» bzw. «beef/ugali» oder kreuzweise). vom selbstgewählten, im grunde genommen total durchgeknallten trip über berg und tal sowie see (dies ist durchaus auch metaphorisch gemeint, imfall) erhole ich mich zurzeit auf sansibar.
und beende hiermit diesen blog weil ich jetzt berichte für die zeitungen schreiben (und dem nichtstun nachgehen) muss. nachzulesen demnächst im Toggenburger Tagblatt (ca. am 23. oder 24. dez. sowie in 3 weiteren folgen, sowie in der Ostschweiz am Sonntag ca. ende januar).
danke für eure aufmerksamkeit! hakuna matata.
Michael
P.S.: am 25. dezember werde ich nach mombasa rüberfliegen und peter shehe, den vom arboner hauswart zum kenianischen parlamentsabgeordenten gewählten heimkehrer und seine lebenspartnerin barbara fuhrer besuchen. davon, mungo akipenda (so gott will), wird es dann auch einen bericht in einem tagesmedium geben.
der längstetiefstezweitgrösste #16
nun zu dem gewässer, auf dessen buckel wir die ganze zeit herumtuckern. ohne den es die liemba und diese reise und überhaupt – gar nicht gäbe. der lake tanganjika heisst eigentlich «liemba». doch um die namensgebung der einheimischen kümmerten sich die beiden entdecker richard francis burton und john hanning im jahr 1858 wenig. die beiden […]
deckrundgang #15
Mannschaftsalltag auf dem Brückendeck der Liemba es ist samstag geworden, dritter tag auf der liemba. endlich wage ich mich ins unterdeck. dazu muss man wissen: in tansania kennt man vielerorts in transportmitteln das klassensystem. wie bei uns auch, aber in diesem land sagt es viel mehr über die sozial-hierarchische stellung der menschen aus. in der […]
hundertjährig #14
die liemba wurde 1913 im auftrag der ostafrikanischen eisenbahn-gesellschaft in papenburg (D) gebaut und auf den namen «goetzen» getauft. (den namen bekam sie von graf goetzen, einem deutschen offizier, der sich als Gouverneur in der deutschen kolonie ostafrika einen zweifelhaften ruhm geschaffen hatte). ihr auftrag war, den waren- und personentransport auf dem tanganjikasee (natürlich nur deutsche […]
menschen #13
eddy, der junge israeli, der eigentlich elad heisst, hat ständig hunger und ist deshalb stets auf der suche nach nahrung. weil die essenszeiten auf der liemba ebensowenig wie die liemba selbst nach einem verlässlichen fahrplan stattfinden, kauft er sich schon mal vom händler, der unten in der 3. klasse sein lädeli aufgeschlagen hat, ein paar […]
seekrieg #12
die liemba ist endlich auf hoher see. das stimmt sogar 2x, denn der lake tanganjika ist ja ein see und zudem noch recht weit oben, auf 800 metern über meer liegt sein seespiegel (exakt genauso hoch über meer wie die schwellen des degersheimer bahnhof’s). am ersten tag auf see hält man’s im schiffsinnern nicht lange […]
abgangsverspätung #11
nur ein zaun trennt mich noch von der liemba. sie liegt da, wartend, auf mich und auf ein paar hundert, die dringender auf dieses einzige verkehrsmittel auf dem lake tanganjika angewiesen sind. dann aber wartet auch noch kisten-, sack- und körbeweise fracht auf die verladung. hier in der abfertigungshalle im hafen von kigoma wird zusammengestellt […]
dar es salaam #10
dar es salaam begrüsst mich mit stau, staub und gestank. zwei verkehrspolizisten versuchen, den morgenverkehr in den griff zu bekommen. die zweierkolonne, in der ich im taxi an zirka 20. stelle stehe, lassen die beiden erst mal stehen. querverkehr von rechts, dann von links, dann linksabbieger, dann rechtsabbieger, dann das ganze von vorne – nur […]
doha #9
«orange juice 24» steht auf der getränkeliste. 24 was? ich muss erst nachsehen, welche währung hier üblich ist. schnell compüterli befragen: qatari rial. 24 rial sind knapp 6 franken. bitzli viel für 3 dl orangensaft. aber hier ist qatar, zwar nicht dubai, aber trotzdem alles bling bling. die hinter der bar sind keine qatari’s, aber […]
abflug #8
24 stunden vor abflug packe ich meine sachen. dabei stelle ich fest, dass es eine seltsame überwindung braucht, nur sommerkleider einzupacken. draussen scheint zwar grad die sonne, was es wiederum etwas einfacher macht. doch was ziehe ich morgen an, wenn ich um 7h00 in stockdunkler nacht bei minus 50°mit sack und pack zum bahnhof rübergehe? […]
